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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 23.1908

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Lux, Josef August: Kunstschau Wien - 1908
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https://doi.org/10.11588/diglit.6701#0069

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Kunstschau
Wien 1908.
Oskar
Kokasclika,
Bilder aus:
»Die träumen-
den Knaben«.
VerlagWiener
Werkstätte.

will

zeigen, daß auch innerhalb der modernen,
geberi3160^1611 Form e™e Sewisse Pracht ge

sein kann. Sein Musikzimmer will

beweisen, daß man nicht ein Maria Theresien-
Z1mmer kopieren muß, wenn man einen fest-
lichen, auf Weiß und Gold gestimmten Raum
haben will. Es braucht kaum hervorgehoben
™ werden, daß die große Gruppe Jung-Wien,
?Je an der »Kunstschau« beteiligt ist, die Marke
Woffmanns trägt. Der Raum der »Wiener
Werkstätte«, die ganz seinen Zuschnitt trägt,
ist der Gipfel des Geschmackes und der
Materialkunst, der Wien derzeit zum Kul-
minationspunkt der modernen europäischen
Bewegung macht. Es soll dabei nicht ver-
gessen werden, daß es im Prinzip kaum mehr
als drei Leute sind, auf denen die Sache der
m°dernen Kunst in Wien beruht.

VI. HÄUSLICHE KUNSTPFLEGE.
Die Kunst an der Quelle des Lebens
enthält der Saal des Zeichenlehrers Professor
'-zischek, die unwillkürlichen zeichnerischen
Und malerischen Darstellungen im Kindes-
alter. Primitive Volkskunst, von Vielen als
verloren beklagt, hier blüht sie immer wieder
aufs Neue. Die Kindheit der Völker und
!e Kindheit der Kunst wiederholt sich ata-
In!oiCh in ^edem Menschenleben. Vorsichtig
sie wieder Materialkunst, wie

^geleitet, wird

stinktinen "^Prnngnchen Völkern, deren in-
schenV vr Kunstscnaffen wir im ethnographi-
auch h USeum bewundern. Wie dort, ist
steliUn leTr 1U dem 3ungen Leben jede Dar-
ng Legende und Symbol, der bildliche

Ausdruck des Wissens, des Erfahrens und des
Denkens, das zugleich ein Anschauen ist, und
als solches nach Selbstdarstellung drängt.
Das Wesen der Kunst in ihrer Wurzel zu
erfassen, ist es nötig, ihre Selbstentäußerung
in dieser keimhaften Periode der kindmäßigen
instinktiven Entfaltung zu verfolgen. In dieser
Epoche des schlummernden Bewußtseins ist
fast jeder Mensch künstlerisch. Die höchste
Blüte der meisterlichen Kunst senkt mindestens
einen Wurzelstock in jenes naive anschauende
Kindsein, und zieht gerade daraus die beste
Nahrung. Der ganze Schatz von Erfahrung
und Technik kann nicht aufwiegen, was jene
Unmittelbarkeit künstlerisch bedeutet. Mit
einer Variation des Rousseau'schen Satzes,
der meint, daß jeder Mensch von Geburt
aus gut sei, könnte man sagen, jeder Mensch
sei als Künstler geboren. Das ist der wahre
Angelpunkt einer Bewegung, die auf all-
gemeine künstlerische Bildung gerichtet ist.
Dieses ursprüngliche Stück Künstler, das von
der Schule meistens erstickt wird, in jedem
Menschen für das spätere Leben zu erhalten,
ist das Ziel. Nicht um einen Beruf daraus
zu machen, nicht als Lebenszweck, wohl aber
um den Menschensinn dauernd zu adeln, das
Seelenleben zu bereichern, wenn nicht als
Zweck, so doch als Verschönerung des Da-
seins. Diesen Gedanken hat Keiner so schön
in die Praxis umzusetzen verstanden, als der
Maler Adolf Böhm, der an der Kunstschule
für Frauen und Mädchen wirkt und für seine
Schule einen ganzen Saal in der »Kunstschau«
einnimmt, den ergötzlichsten Raum, der von

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