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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 23.1908

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Diez, Hermann: Zwischenakts-Gedanken im Münchner Künstler-Theater
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https://doi.org/10.11588/diglit.6701#0081

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Flügel und die ehernen Perücken erwecken aller-
dings den schwarzen Verdacht, als ob der
Künstler die aus dem griechischen Archi- ver-
derbte Vorsilbe Erz- mit dem Metall in Ver-
bindung gebracht hätte und demgemäß vor-
kommenden Falls auch Erzherzöge, Erzbischöfe,
Erzketjer und Erzschelme in eherne Gewänder
kleiden würde, indes der Einwand will mir selbst
etwas zu schulmeisterlich erscheinen gegenüber
dem gewaltigen Eindruck dieser unendlich hoheits-
vollen Gestalten und dem überaus glücklichen
Gedanken, die mächtigen Strophen von sonoren
Männerstimmen sprechen zu lassen. Aber die
kostümgeschichtliche Zurückdatierung des Faust
aus dem 16. in das 13. oder 14. Jahrhundert hat
meines Erachtens ebensowenig Sinn wie z. B.
die Aufgabe des traditionellen Gretchenkostüms.

Gewiß kommt es auf diese Dinge nicht an, aber
eben damit es nicht den Eindruck mache, als
käme es auf sie an, hätte man diese Experimente
mit Kostümen meiden sollen, die weder einfacher
noch schöner sind als die früher gebräuchlichen.
Und schlimmer noch ist die Verkennung oder
Mißachtung klarer Intentionen und deutlicher
Winke des Dichters, die sich z. B. darin verrät,
daß Mephisto im Vorspiel vor den Füßen der
Erzengel auf dem Boden kauern muß, fast wie
„ein furchtsam weggekrümmter Wurm." So weit
darf der Einfluß des regieführenden Künstlers
doch nicht gehen, bezw. das Interesse an einem
wirksamen und malerischen Bühnenbilde doch
nicht überwiegen.

Im allgemeinen ist jedoch freudig und dank-
bar anzuerkennen, daß das schöne Experiment

Kunstscliau
Wien 1908.
Gartentheater
»Tanzszene«.

1909. L

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