Professor H. Werner—Bensheim:
Trübners fort, sodaß in dieser Hinsicht fast
von einer Gefolgschaft gesprochen werden
kann. Seit kurzem erst hat Gudden die
Mittel einer akademisch ausgeglichenen, »zah-
men« Kunst beiseite geworfen und mit Leiden-
schaft die neue Lehre aufgegriffen — vom Licht
und seinen Wundern, von der unbegrenzten
Möglichkeit aller Motive, sofern sie nur Träger
und Spender des Lichtes sind. Nun ist ihm
Spanien das liebste Land zum Schauen und
Schaffen, und alles ist recht, was sich dazu
bietet: die Landschaft und das Bildnis, die
Straßenszenen und die Tiere. Groß und
kühn hingestrichen, oder zu breiten Flächen
vertrieben sitzen die Pinselhiebe auf der Lein-
wand, eine Flut hervorbrechender Lichter und
Farben durch-, mehr noch nebeneinander.
Aber in dem Gewirr behauptet sich jede
körperliche Bildung, vor allem der mensch-
lichen Gestalt. Aus Flimmern und Gleißen
tritt sie stark und bestimmt hervor, nicht wie
so oft auf impressionistischen Werken versinkt
sie in den umfließenden Lichtwellen.
Dann die feinen stillen Bilder von Ottilie
Röderstein. Ihre Porträtkunst — in den
letzten Gaben mehr französischen Einflüssen
zugewandt — schuf die früheren Bildnisse,
die schlanke junge Amazone und das Selbst-
porträt, im Geiste der großen englischen
Porträtisten des achtzehnten Jahrhunderts.
Aber wenn bei diesen die Glätte und Eleganz
der Darstellung die besten Kräfte in das Bild
hineintragen, die Frankfurter Malerin geht
völlig von der inneren Erfassung der Persön-
lichkeit aus. Ihre Bilder werden immer leben-
diger, je länger man sie beschaut. Ganz
selbstverständlich scheint im Bildnis der jungen
Dame im Reitkleid die aufsteigende Senk-
rechte der hohen Gestalt durch die starke
Neigung des Kopfes aufgehalten. Überhaupt
zeigt sich dem gründlicher Prüfenden ein
außerordentlich reiches und reizvolles Spiel
der Linien in diesem Werk, das Erwägung
und Bedachtsamkeit verrät, wo der rasche
Blick nur Zufälliges sehen mag. Köstlich aber
das Leben des Körpers im umschließenden
Gewand. Wieviel gepriesene Porträtisten
glauben nach der Durchführung von Kopf und
allenfalls noch Händen die Arbeit getan. Das
Übrige läßt sich ja nach der Modellpuppe
rasch heruntermalen!
Im Selbstbildnis ist die stille Verträumtheit
des Blicks in die Stimmung des Bildgrundes
hinübergeführt, künstlerisches Gefühl und dar-
stellende Mittel klingen zusammen.
Paris ist für Ottilie Rödersteins Schaffen
mehr und mehr bestimmend geworden. Sie
verbringt dort alljährlich einige Monate und
hat sich — in persönlichem Verkehr mit
den besten fortschrittlich gesinnten Künstlern
— für die impressionistische Art klar und
fest entschieden. Landschaften und Stilleben
können's bezeugen. Aber es ist kein Experi-
mentieren darin und kein äußerlich Prunken
mit angelernter Kunstfertigkeit. Geblieben ist
von der vordem geübten Technik die be-
stimmte Körperlichkeit und Kraft, plastisch
greifbar drängt das Gegenständliche aus der
Fläche des Bildes.
Die übrigen Genossen des Bundes er-
scheinen in den Abbildungen dieses Heftes
mehr als Landschafter, als dies die ver-
schiedenen Richtungen der einzelnen berech-
tigt erscheinen lassen. Aber die Auswahl der
Bilder mußte nach mancherlei äußerlichen,
auch technischen Erwägungen geschehen, und
das Unterschiedliche und Persönliche im Werk
des einzelnen tritt ja auch erkenntlich genug
hervor.
Der in Frankfurt heimisch gewordene
Italiener Ettore Cosomati ist in Arbeit und
Auffassung von Trübner berührt. Der Ein-
druck seiner schönen Temperabilder geht
von der Klarheit und Festigkeit der Zeichnung
aus. Sicher und bestimmt wird der Blick in
die Bildtiefe hineingeführt, meist bis zu einem
begrenzenden Abschluß im Grunde, durch
ein breitgelagertes Haus etwa, eine Mauer
oder Hecke. Das gibt gute Gelegenheit,
Einzeldinge einzuordnen, und das Auge an
ihnen entlang zu leiten: über den spiegelnden
Teich, über Tische und Bänke im Garten,
die Kähne auf dem langgezogenen Kanal,
vorbei an grünen Uferhängen und aufgereihten
Alleen. Die Differenzierung des Räumlichen
wird genau bestimmt. Dieser Absicht dient
sogar die Farbe. Kühl und hell hebt sie die
Sachen heraus, und in der peinlich sorgsamen
Durchführung lebt die Freude des Künstlers
an solcher Arbeit.
HansVölcker geht von vornherein mehr
vum malerischen Standpunkt aus. Seine Land-
schaften und Marinen stellen das ganze Bild
unter die Herrschaft einer vorwiegenden Farbe,
und die Darstellung faßt mit frischem, großen
Zuge alle Einzelheiten so zusammen, daß ein
starker Gesamteindruck erwächst, die raum-
schmückende Wirkung des Bildes sich leicht
kundgibt.
Alfred Oppenheim zeigt die sichere
Beherrschung einer vielfältigen Kunst im
raschen Wechsel der Motive. Eine alljährlich
94
Trübners fort, sodaß in dieser Hinsicht fast
von einer Gefolgschaft gesprochen werden
kann. Seit kurzem erst hat Gudden die
Mittel einer akademisch ausgeglichenen, »zah-
men« Kunst beiseite geworfen und mit Leiden-
schaft die neue Lehre aufgegriffen — vom Licht
und seinen Wundern, von der unbegrenzten
Möglichkeit aller Motive, sofern sie nur Träger
und Spender des Lichtes sind. Nun ist ihm
Spanien das liebste Land zum Schauen und
Schaffen, und alles ist recht, was sich dazu
bietet: die Landschaft und das Bildnis, die
Straßenszenen und die Tiere. Groß und
kühn hingestrichen, oder zu breiten Flächen
vertrieben sitzen die Pinselhiebe auf der Lein-
wand, eine Flut hervorbrechender Lichter und
Farben durch-, mehr noch nebeneinander.
Aber in dem Gewirr behauptet sich jede
körperliche Bildung, vor allem der mensch-
lichen Gestalt. Aus Flimmern und Gleißen
tritt sie stark und bestimmt hervor, nicht wie
so oft auf impressionistischen Werken versinkt
sie in den umfließenden Lichtwellen.
Dann die feinen stillen Bilder von Ottilie
Röderstein. Ihre Porträtkunst — in den
letzten Gaben mehr französischen Einflüssen
zugewandt — schuf die früheren Bildnisse,
die schlanke junge Amazone und das Selbst-
porträt, im Geiste der großen englischen
Porträtisten des achtzehnten Jahrhunderts.
Aber wenn bei diesen die Glätte und Eleganz
der Darstellung die besten Kräfte in das Bild
hineintragen, die Frankfurter Malerin geht
völlig von der inneren Erfassung der Persön-
lichkeit aus. Ihre Bilder werden immer leben-
diger, je länger man sie beschaut. Ganz
selbstverständlich scheint im Bildnis der jungen
Dame im Reitkleid die aufsteigende Senk-
rechte der hohen Gestalt durch die starke
Neigung des Kopfes aufgehalten. Überhaupt
zeigt sich dem gründlicher Prüfenden ein
außerordentlich reiches und reizvolles Spiel
der Linien in diesem Werk, das Erwägung
und Bedachtsamkeit verrät, wo der rasche
Blick nur Zufälliges sehen mag. Köstlich aber
das Leben des Körpers im umschließenden
Gewand. Wieviel gepriesene Porträtisten
glauben nach der Durchführung von Kopf und
allenfalls noch Händen die Arbeit getan. Das
Übrige läßt sich ja nach der Modellpuppe
rasch heruntermalen!
Im Selbstbildnis ist die stille Verträumtheit
des Blicks in die Stimmung des Bildgrundes
hinübergeführt, künstlerisches Gefühl und dar-
stellende Mittel klingen zusammen.
Paris ist für Ottilie Rödersteins Schaffen
mehr und mehr bestimmend geworden. Sie
verbringt dort alljährlich einige Monate und
hat sich — in persönlichem Verkehr mit
den besten fortschrittlich gesinnten Künstlern
— für die impressionistische Art klar und
fest entschieden. Landschaften und Stilleben
können's bezeugen. Aber es ist kein Experi-
mentieren darin und kein äußerlich Prunken
mit angelernter Kunstfertigkeit. Geblieben ist
von der vordem geübten Technik die be-
stimmte Körperlichkeit und Kraft, plastisch
greifbar drängt das Gegenständliche aus der
Fläche des Bildes.
Die übrigen Genossen des Bundes er-
scheinen in den Abbildungen dieses Heftes
mehr als Landschafter, als dies die ver-
schiedenen Richtungen der einzelnen berech-
tigt erscheinen lassen. Aber die Auswahl der
Bilder mußte nach mancherlei äußerlichen,
auch technischen Erwägungen geschehen, und
das Unterschiedliche und Persönliche im Werk
des einzelnen tritt ja auch erkenntlich genug
hervor.
Der in Frankfurt heimisch gewordene
Italiener Ettore Cosomati ist in Arbeit und
Auffassung von Trübner berührt. Der Ein-
druck seiner schönen Temperabilder geht
von der Klarheit und Festigkeit der Zeichnung
aus. Sicher und bestimmt wird der Blick in
die Bildtiefe hineingeführt, meist bis zu einem
begrenzenden Abschluß im Grunde, durch
ein breitgelagertes Haus etwa, eine Mauer
oder Hecke. Das gibt gute Gelegenheit,
Einzeldinge einzuordnen, und das Auge an
ihnen entlang zu leiten: über den spiegelnden
Teich, über Tische und Bänke im Garten,
die Kähne auf dem langgezogenen Kanal,
vorbei an grünen Uferhängen und aufgereihten
Alleen. Die Differenzierung des Räumlichen
wird genau bestimmt. Dieser Absicht dient
sogar die Farbe. Kühl und hell hebt sie die
Sachen heraus, und in der peinlich sorgsamen
Durchführung lebt die Freude des Künstlers
an solcher Arbeit.
HansVölcker geht von vornherein mehr
vum malerischen Standpunkt aus. Seine Land-
schaften und Marinen stellen das ganze Bild
unter die Herrschaft einer vorwiegenden Farbe,
und die Darstellung faßt mit frischem, großen
Zuge alle Einzelheiten so zusammen, daß ein
starker Gesamteindruck erwächst, die raum-
schmückende Wirkung des Bildes sich leicht
kundgibt.
Alfred Oppenheim zeigt die sichere
Beherrschung einer vielfältigen Kunst im
raschen Wechsel der Motive. Eine alljährlich
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