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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 23.1908

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Servaes, Franz: Pflege und Leitung moderner öffentlicher Galerien
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https://doi.org/10.11588/diglit.6701#0132

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Pflege und Leitung moderner öffentlicher Galerien.

HANS BURNITZ KRANKFURT a. M.

»Oberes Maintal«.

und aufgeklärten Anschauungen voll genügen
könnte. Hier ist Wien eine Gelegenheit ge-
boten, für manches, was bisher dort verfehlt
wurde, gleichsam seine Revanche zu nehmen.
Denn da einstweilen alles bloß provisorisch
untergebracht ist, ein eigener Bau also
irgendwann einmal errichtet werden muß, so
steht dem nichts im Wege, daß man dort
einen wirklich ideal angelegten modernen
Museumszweckbau begründe : mit mild-reicher
Belichtung, mit angenehm einleuchtender Raum-
verteilung und mit jener bescheidenen dekora-
tiven Wirkung, die die aufgestellten Kunst-
schätze als die Hauptsache hervortreten läßt.
Neben dem Bau muß aber auch die Samm-
lung selber, ja sie in erster Linie, einen ab-
gerundeten künstlerischen Charakter tragen.
Und den kann sie haben, auch während sie
noch mitten im Wachstum steht. Wenn Goethe
einmal überaus zutreffend sagt: »Das Werk
des echten Künstlers ist in jedem Zustande
fertig«, so darf man wohl auch von einem
gutgeleiteten Museum sagen, es vermöge in
jedem Stadium den Geist überlegter künst-
lerischer Ordnung zu verraten. Den artistisch-
sinnvollen Zug seiner Struktur kann es von

Anfang an bekunden. Und dies ist's, was wir
ernstlich zu fordern haben. Ohne organische
Belebung von Innen heraus, ohne deutlich
erkennbare Formgestaltung bleibt jede moderne
Galerie nur eine stimmungslose Anhäufung von
Kunstwerken. Wir mögen das Einzelne be-
wundern, aber das Ganze macht uns unwirsch.
Denn nichts kann ein Kunstwerk weniger ver-
tragen als eine unkünstlerische Umgebung oder
als die Eingliederung in einen willkürlich
und zufällig hergestellten Zusammenhang. Sollen
wir in einem Museum zu wahrhafter Erhebung
und Hochstimmung der Seele gelangen, so
muß überall in fein abgewogenen Proportionen
ein zwingender Rhythmus sich uns offenbaren.
In der Hinsicht gilt für die Sammlung von
Kunstwerken kein anderes Gesetz als für die
Kunstwerke selbst. Sie soll ein Kunstwerk
sein gleich ihnen und überall, in Gruppierung
und Aufstellung, wie in ihrer Wahl und An-
ordnung den Stempel einer in sich geschlosse-
nen künstlerischen Persönlichkeit tragen. Nur
so vermag das den Museen vielfach anhaftende
Odium, daß sie kunstwidrige Aufstapelungen
seien, überwunden zu werden; ja es wird sich
in sein ruhmvolles Gegenteil verwandeln. —

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