Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 23.1908

DOI Artikel:
Zimmermann, E.: Keramische Plastik
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.6701#0331

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Keramische Plastik.

ARCHITEKT CARL BRÄUER WIEN.

Speise-Zimmer, Macassar-Holz.
Ausgeführt von J. W. Seidl—Wien.

wundervollsten Mittel zur Verfügung, die zu den
prächtigsten Wirkungen führen können. Welch'
Farbenpracht, welch' Farbenkraft zeigen z. B.
nicht die Porzellanfiguren des 18. Jahrhunderts,
aus jener Zeit, da die Farbenfreude noch ganz
allgemein und der künstlerische Instinkt noch so
gesund war, dag er, noch stets die richtigen Wege
findend, jener zum vollen Ausdruck verhalf. Es
ist ja gleichsam glänzendes, farbengesättigtes
Glas, was hier als Email oder Unterglasurfarbe
seine Wirkungen tut, Wirkungen, die sonst wohl
nur durch lichtgetränktes, farbiges Glas selber
in gleicher Weise wieder erreicht werden können.
Dieselben Wirkungen lassen sich aber auch in
der Fayence und dem Steingut erzeugen, sowie
den leicht gebrannten, glasierten Tonwaren, ja
selbst das Steinzeug, das selber schon meist
Farbe ist, kann - man denke nur an die Schöp-
fungen eines Carries! — zu feinen, dezenten
koloristischen Wirkungen verwandt werden, die
mehr als bloß Belebung sind, die selber Reiz
sein können. Und alle diese koloristischen Reize
sind hier, wie fast in der gesamten übrigen poly-

chromen Plastik, keine bloßen äußeren Zutaten,
die mit dem Stofflichen nicht weiter verwachsen
sind, ja mit der Zeit sich von diesem loslösen
und verschwinden können. Aus der Technik
herausgeboren, durch dieselbe Kraft des Feuers,
die auch das keramische Erzeugnis selber schafft,
sind sie meist unzertrennbar mit diesem ver-
wachsen, schmiegen sich diesem an wie etwas
völlig Selbstverständliches, etwas unbedingt Dazu-
gehörendes. Die Polychromie-der Keramik hat
in den meisten Fällen etwas durchaus Organisches
an sich, sie würde, wenn sie fehlte, manches in
dieser Plastik nur halb zur Geltung bringen. Da-
durch aber ist die keramische Plastik reicher,
als fast die gesamte übrige; sie hat ein inter-
essantes Element mehr als diese und kann da-
durch ihre ganz besonderen Wirkungen erzielen,
die nicht zu gering anzuschlagen sind.

Dann aber darf nicht vergessen werden, daß
die keramische Plastik dank der Technik, auf der
sie fußt, eine Kunst ist, die mehr als irgend eine
andere zu einer strengeren Stilistik führt, damit
für jeden, der eine stilistische Kunst höher schätjt,

3°5
 
Annotationen