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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 23.1908

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Michel, Wilhelm: Das deutsche Volk und seine Künstler
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https://doi.org/10.11588/diglit.6701#0335

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Das deutsche. Volk und seine Künstler.

mistisch gegenüber stehe. Gewiß fehlt es
auch manchen tüchtigen Könnern nicht an
Erfolg und Ehren. Aber die tausend Miß-
griffe, wie sie bei Sittlichkeitsprozessen, bei
Staatsaufträgen und im privaten Kunsturteil
zu Tage treten, beweisen, daß es der Mehr-
zahl der Gebildeten an Einblick in den künst-
lerischen Schaffensprozeß fehlt.

Denn das ist es eben: Ich sage nicht,
es fehlt diesen Leuten an Geschmack, aber
ich sage, es mangelt ihnen die Fähigkeit des
Mitgehens mit dem Künstler, die Fähigkeit
zu verstehen, was ihn vorwärtstreibt, welche
Elemente sein Schaffen bestimmen. Das ist
der Grund, weshalb ein Künstler, der von
inneren Notwendigkeiten gedrängt, etwas
wagen muß, vom Volke wenigstens regel-
mäßig im Stiche gelassen wird. Daß Technik,
Wissenschaften und politische Dinge sich
ewig ändern, das leuchtet jedem ein. Nur
der Kunst möchte man die Entwicklung
wehren, weil für die Mehrzahl der Gebildeten
die elementarsten Grundlagen des Kunst-
schaffens ein siebenmal versiegeltes Geheimnis
sind. Genetisch wird die Kunst bei uns

nicht verstanden, die Motive ihres Vorwärts-
schreitens, ja überhaupt die gesamte Natur
ihrer Funktionen sind dem Volke verborgen.

Der Fall Angelo Jank ist ein neuer Be-
weis für diese Tatsache. Weit entfernt, ein
vereinzelter Umfall oder Unglücksfall zu sein,
besitzt er durchaus typische Bedeutung. Ge-
rade weil er gesetzmäßig und nicht abnorm
ist, verdient er die große Beachtung, die ihm
von allen Seiten zuteil wird.

Ich rekapituliere kurz das Tatsächliche, es
ist mit wenig Worten gesagt.

Der Sitzungssaal des Reichstages soll mit
drei Wandgemälden geschmückt werden. Aus
einer weiteren und einer engeren Konkurrenz
ist Angelo Jank, Akademieprofessor in Mün-
chen, als Sieger hervorgegangen; das heißt:
seine Skizzen haben den Juroren vorgelegen
und Billigung gefunden. Jetzt sind die Ge-
mälde fertig und ein Sturm der Entrüstung
durchbraust das hohe Haus, in dem nach dem
Willen der Verfassung die Creme des Volkes
beisammen sitzen soll. Ein ultramontaner Ab-
geordneter, Dr. Pfeifer, läßt sogar ein Flug-
blatt herstellen, in dem er gegen die drei Ge-

ARCH1TEKT PROFESSOR OTTO PRDTSCHER

Herren-Zimmer.

Ausgeführt von S. Spitz.

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