Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 23.1908

DOI Artikel:
Scheffers, Otto: Zum kulturellen Wert zeichnerischer Betätigung
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.6701#0343

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Zum kulturellen Wert zeichnerischer Betätigung.

ARCHITEKT FRANZ EXLER WIEN.

stellt im Anschluß daran Untersuchungen über die
Richtung gebrochener und reflektierter Licht-
strahlen an, verfaßt einen gelehrten Traktat über
die Farbe der Schatten, experimentiert mit der
Camera obscura, untersucht die Erscheinung der
Irradiation und fabriziert Hohlspiegel aller Art.
Er will das Spiel der Muskeln wiedergeben, seziert
dreißig- Leichen und fertigt als erster anatomische
Abbildungen nach der Natur an. Er macht un-
ermüdlich Skizzen von Gesichtszügen, entwirft
den Plan zu einer umfassenden Psychologie,
und sein Abendmahl gilt als eins der durch-
dachtesten Dokumente psychologischer Kennt-
nisse. Durch das Studium der Funktionen von
Muskeln und Knochen mag er dazu gekommen
sein, sich genauer mit Untersuchungen über die
Wirkung des Hebels zu befassen, wodurch er
zum Begründer der neueren Mechanik wird. Die
Perspektive und das Vorkommen von Proportionen
im Kunstwerke bringen ihn in Kontakt mit der
Geometrie und Algebra, in die er das Plus- und
Minuszeichen eingeführt haben soll. Er erweitert
die Mathematik nach verschiedenen Seiten hin
und weist — früher als Kopernikus — der Erde

Mädchen-Wohn- und Schlaf - Zimmer.

Ausgeführt von Franz Exlcr sen.

einen Platj als bescheidenen Stern im Himmel
an. Als Künstler verfolgt er sinnenden Auges
die Formen der Meereswellen, findet durch
Experimente, daß Wellen sich durchkreuzen
können, ohne einander zu zerstören und wen-
det die Geseke von der Wellenbewegung auf
Schall, Licht und Magnetismus an. In Verbin-
dung mit all dem untersucht er das Verhältnis
zwischen Kraft und Bewegung, die Fallgeschwin-
digkeit, die Reibung, den Stoß, die Fortpflanzung
des Druckes im Wasser und tausend andere Er-
scheinungen, überall seine Beobachtungen durch
prächtige Zeichnungen demonstrierend. Kraft
seiner unerschöpflichen Phantasie entstehen de-
taillierte Zeichnungen zahlloser Maschinen und
Apparate: Unterseeboote, Taucherapparate, Aero-
plan, Dampfbarkasse, Bohrmühle, Hobel-, Säge-,
Spinnmaschinen, hydraulische Presse usw. ad
infinitum. Er leistet endlich Hervorragendes als
Architekt und Wasserbaumeister.

Was wäre aus Leonardo wohl geworden,
wenn er bis zum zwanzigsten Jahre eine unserer
höheren Schulen hätte besuchen müssen!

DESSAU. OTTO SCHEFFERS.
 
Annotationen