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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 23.1908

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Kowarzik, Joseph: Zeitgemäße Betrachtung über moderne Medaillen
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https://doi.org/10.11588/diglit.6701#0361

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Zeitgemäße Betrachtung über moderne Medaillen.

Einzige, was damit bei uns geleistet wurde, ist
die Ausnutzung nach der rein geschäftlichen
Seite hin. Die Maschine wurde bei uns weder
nach ihrer Vervollkommnungsmöglichkeit, noch
in ihrer wahren Erscheinungs- und Leistungs-
kraft bekannt. Eine große Anzahl modellierender
Menschen benürjen heute dieses Werkzeug, ohne
es je gesehen zu haben. Wenn nun unerfahrene
Hände, die kein Material als Ton und Plastilin,
und als Werkzeug nur das Modellierholz kennen,
Dinge in den Tag hinein modellieren und sie
dann einer Prägeanstalt mit der Bemerkung
schicken: Nun bitte liefern Sie mir nach diesem,
auf eine Schiefertafel 60 cm großen modellierten
Dingsda, eine fix und fertige Medaille, in Größe
von 5 cm, in solchem Falle frage ich: Ist an
solcher Produktion die Maschine oder der
Mensch schuld??

Wir verlangen Charakter und Stil in der
Kunstmedaille, ohne zu bedenken, daß sich die
Möglichkeit dazu genau in denselben Bahnen
bewegt, wie die aller anderen Künste. Der
Metallplastiker muß der Naturauffassung und
seinem Werkzeug gegenüber, genau in demselben
innigen Zusammenhang stehen, wie es in Wirk-
lichkeit eigentlich nur beim Maler der Fall ist.
Daß die Maschine auch in der Medaillenkunst
Frankreichs durch gewissenlose Anwendung die
ganze Produktion verflacht, ist eine Tatsache.
Dieser Tatsache steht aber genau jene andere
gegenüber: daß auch alle Großplastik, wo
Punktiermaschinen und billige, unrichtig ange-
wendete Hilfsarbeit mitwirkt, genau so traurige
Produktionen vor unserem Auge zeitigt. Wer
einem schlechten Punkteur die Ausführung seiner
Arbeit übergibt, der tut dasselbe wie derjenige,
der ohne Kenntnis die Reduktionsmaschine ver-
wendet; und doch sind beide, richtig angewendet,
unübergehbare Hilfskräfte.

Hat dieselbe Maschine in Frankreich einem
Chaplain, Roty und Ponscarme, einem Charpentier
und Yencesse Abbruch getan, an ihrem Stand-
punkt der Natur gegenüber? Treten uns bei
Durchsicht ihrer Arbeiten nicht deutliche Per-
sönlichkeiten vor das Auge?

Wir können nun aber unsere Betrachtungen
auch noch weiter ausdehnen und uns fragen:
Stehen denn die Franzosen diesem Hilfswerkzeug
so gegenüber, wie wir Deutschen ihm gegenüber-
stehen könnten, wenn wir mit ebensolcher Intensi-
tät die Maschine studiert hätten? Wie wären
die Resultate, wenn bei uns sich eine ebenso
tüchtige Künstlerschaft ein Lebensalter lang
damit beschäftigt hätte? Nach diesen wenigen
Bemerkungen möchte ich wieder die Frage vor-
legen: Sollen wir darum, weil sich eine Anzahl

y

Kart. Walser berlin. Kigurine zu »Carmen«.

(Für den letzten Akt.)

Menschen, teilweise aus handwerklicher Bequem-
lichkeit oder künstlerischer Überhebung, teil-
weise aus Unerfahrenheit und in der Einsicht
der Unmöglichkeit dieses Werkzeug in der Spann-
weite seiner Leistungsfähigkeit kennen zu lernen,
uns einfach dazu bekennen und sagen: die Re-
duktionsmaschine muß abgeschafft werden, sie
ist an Allem schuld! Sollen wir die Maschine,
an deren Vervollkommnung Frankreich ein Jahr-
hundert ernster Arbeit verwendet, darum zer-
schlagen? Sollen wir unsere mit Kraftbetrieb
zur höchsten Leistung gebrachte Presse, mit der
wir 2 cm hohe Stahlplastik versenken und aus-
heben und mit der wir die Millionen kleiner
harten Nickelmünzen beinahe selbsttätig schlagen,

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