Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten (23.1908)

Zeitgemäße Betrachtung über moderne Medaillen.

ungen, die uns von den heutigen Techniken ge-
boten, sollten wir, bei Einschaltung der richtigen
Kräfte, doch zu einem Produktionsmoment kommen,
wo Phantasie und Formenreichtum mächtige
Blüten zeitigen müßten. Der Inhaltswert und
Ausgangspunkt aller plastischen Kunst, ob groß
oder klein, bleibt die Form und der Geist, der
sie belebt und durchdringt! Gewiß ist es die
Technik, die dem Kunstwerk zu dem verhilft,
was es ist. Ob wir aber mit dem Ausschnüffeln
der Meigelhiebe an Michel Angelos Werken,
oder mit der Nachahmung der Stichelführung
alter Medaillen nicht allmählich dazu kommen, den
Geist der Alten zu übersehen und tnißzuver-
stehen, möchte ich nur vorübergehend hier be-
rührt haben. Wenn wir unserer Zeit gerecht
werden wollen, so kann uns die Kenntnis des
Handwerks der Alten nur darin als Vorbild dienen,

dag wir gerade so wie sie, mit ganzer Seele
und Kraft, die Impulse unserer Zeit unseren zeit-
gemäßen Werkzeugen anvertrauen. Wir müssen
für unsere Arbeiten den Weg suchen, der
unseren Lebensbedingnissen, unserer Lebens-
auffassung entspricht! Daß diese, in einer Zeit
wo indische und ostasiatische Kunstübung uns
bekannt geworden, sich manchmal anders äußern
wird, wie im 16. Jahrhundert in Nürnberg, darüber
brauche ich keine Schlußfolgerungen anzuknüpfen.
Wir hören heute oft mit Recht den Ausspruch,
daß die französische Medaille der legten Jahr-
zehnte eine Versüßung und Salonisierung des
ganzen Medaillengeschmackes hervorgerufen. Zu
dieser Tatsache habe ich nur hinzuzufügen, daß
dies ebenfalls nicht die Schuld der Reduktions-
maschine ist. Der Franzose neigt in allen seinen
Künsten leicht zur technischen Überfeinerung,

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