Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten (23.1908)

y. Kotvarzik—Frankfurt a. M. :

gerade wie der Franzose behaupten wird, wir
Deutsche neigen in den bildenden Künsten zur
Vergröberung. In gerechter und sachlicher
Würdigung der Kunst beider Nationen kann ich
uns hier nicht ersparen die Tatsache auszu-
sprechen: Wenn sich das deutsche Medaillen-
handwerk, wie das französische schon vor hundert
Jahren, bemüht hätte, ein neues Werkzeug und
intensive Künstler der Münze und Medaille zu-
zuwenden, dann hätten wir wahrscheinlich schon
vor 20 Jahren, in derselben Zeit, in der die
französische Bestrebung ihre reichen Ernten auch
in Deutschland einheimste, eine eigene Pro-
duktion den kunstrührigen Nachbarn gegenüber-
stellen können. Ich möchte es auch nicht unter-
lassen auszusprechen, daß die französische
Medaille der lerjten Periode in einzelnen ihrer

ernstesten Meister Arbeiten geschaffen, die, ob
nun momentan salonmäßig oder süßlich genannt,
trorj alledem und allezeit als Kunstprodukte eines
in seiner Kunst selbständigen Volkes ihren Wert
behalten werden. Daß diese Medaillen die Welt
erobern, ist eine Tatsache, an der nichts anderes
zu machen, als es ebenfalls von unserer Seite
auch einmal zu versuchen. Die Welt ist ja glück-
licher Weise immer neu bereit, sich erobern zu
lassen. Diesem ermutigenden Ausruf fehlen nun
auch heute nicht mehr ganz die Hoffnungen. Es
regen sich vielfache Kräfte in allen Teilen
Deutschlands, doch leider fehlt noch jede
breitere Basis und Vertiefung. Das kleine
Häuflein Menschen unter den 60 Millionen, die
wirkliches Interesse durch Arbeitsförderung be-
tätigen, ist zu klein, um einer lebhaften Entwick-