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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 35.1914-1915

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Lange, Willy: Deutsche Blumengaben für heimkehrende Krieger und für Gefallene
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https://doi.org/10.11588/diglit.7013#0152

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Deutsche Blumengaben.

zeigte, was schöne, künstlerisch gesehene Natur
sei, so zeigte die Drahtbinderei, was schöne
künstlerisch gesehene Form vom Strauße, vom
Kranze forderte.

Nun gilt es, diese Formenschule ohne die
künstlischen Hilfsmitteln durch Auswahl und
Ausnutzung natürlicher Zweigbiegungen und
deren Zusammenfügung zu erreichen, ja darüber
hinaus zu gelangen, indem wir eine neue Form-
schönheit, die sich noch nicht in Regeln und
Proportionen bannen läßt, ahnen lassen. Denn
alle Formenschönheit, alle Schönheit überhaupt
beruht auf der Ahnung verborgener Gesetz-
mäßigkeit. Alles, was aus Draht gebunden, ge-
macht ist, zeigt deutlich das Streben nach der
Regel und läßt uns darum kalt. Mehr noch:
wir lehnen es ab im Empfinden der Mißstim-
mung zwischen „Blume" und „Draht" „Frei-
heit" und „Zwang" „Leben" und „Tötung".
Vom Draht kommt alles Übel in der Blumen-
binderei-Technik, alle die Phantasie-Gebilde,
die vor nichts zurückschrecken, was technisch
mit Drahtstützen möglich ist, wenn sie nur ver-
steckt werden.

Der eng begrenzte Zeilenrahmen läßt uns
nicht von der Farbe, vom Inhalt, von der natur-
gemäßen Zusammenstellung der Pflanzen-Arten
reden, von den Physiognomien, von den Cha-
rakteren, von den Beziehungen zwischen Blu-
menwahl und Raum und Gelegenheit der Gaben
— nur die deutschen Gemütswerte sollten als
Forderung der Blumenbinderei angedeutet wer-
den. — Das Gemüt drückt sich oft in sinnbild-
lichen Handlungen aus. Auch die Sinnbildlich-
keit und Allegorie sind in den Betrachtungen
über „Kunst" als geringwertige Ausdrucksmittel
oft — seit Lessing! — bezeichnet worden!

Es gibt aber Künste, denen hohes Mittel sein
kann, was bei anderen Künsten niedrig ist,
weil diese anderen mit ihren Ausdrucksmitteln
darüber hinausgelangt sind oder — für den
nicht sehr tief dringenden Blick darüber hin-
ausgelangt zu sein scheinen.

Ein Willkommkranz für einen Sieger, ein
Ruhmeskranz für den Lebenden ist „offen".
Das Band, das ihn — sinnbildlich — bindet,
hängt nach außen frei, froh flatternd! Ein
offener Kranz, gebunden von längs sich zu ein-
ander neigenden Zweigen, erlaubt — sinnbild-
lich — ein „Weiterwachsen" der Zweige. Lor-
beer ist das Zeichen für Sieg und Ruhm. — Ein
Kranz für einen Gefallenen, der Opferkranz für
Verstorbene ist — sinnbildlich — geschlossen;
keine Zweige können sich ansetzen, die Kreis-
form bedeutet den Abschluß. Darum sind
Bänder in den Kranz hineinhängend, die Ge-
schlossenheit verstärkend. Die „Psychologie
der Linie" gibt hier das Mittel des Ausdruckes.
Eiche ist Deutschlands Lebens-Baum seit 1813,
1870, 1914! Deutsche Landesfarben! wie
sprechen sie jetzt so laut von Treue, Tatkraft,
Hingebung!

Trauert nicht unser Rosenstrauß, weil wir
ihn mit schwarzem Flor umwanden? Gibt
„Liebe" nicht den „Ruhmeszweig", weil wir
Rosen und Lorbeer zusammenfügten? Die
Sprache des Herzens in der „Kunst" war über-
tönt von Ästhetengerede \ Möge endlich das
Handwerk auf Grund des Fachkönnens zu
Ehren kommen; die Blumenbinderei weiß vom
Herzen zum Herzen zu sprechen. Das ist ihre
Aufgabe im Handwerk, ihre Kunst.

WILLY LANGE, KGL. GARTENBAU-DIREKTOR UND LEHRER
AN DER KÖNIGL. GÄRTNER-LEHRANSTALT DAHLEM.

ROSEN-
STRÄUSSE
OHNE DRAHT

UND OHNE
FORMUNGS-
MITTEL.

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