Schutz dem Kunstbesitz im Feindesland.
und zweifellos ist der Sieger in der Lage und be-
rechtigt, die Abtretung von Kunstwerken zur Be-
dingung zu machen. Da jedoch die Abtretung von
Kunstwerken schwerer und dauernder empfunden
wird als eine Kriegsentschädigung in Geld, so wird
sich die Diplomatie die Frage vorlegen müssen,
ob der Gewinn eine dauernde Verstimmung auf-
wiegt. Will man z. B. Belgien dem Deutschen
Reiche einverleiben, so würde ich es grundsätjlich
für falsch halten, belgische Sammlungen wichtiger
Bilder zu berauben, vor allem solcher, die der
vlämischen Malerschule angehören. Deutschland
müßte im Gegenteil sein Augenmerk darauf rich-
ten, Belgien als ein ehemals zum Reiche gehöriges
Land wie einen wiedergewonnenen Bestandteil
seiner selbst zu behandeln, um in der dortigen
Bevölkerung eine rückhaltlose Befriedigung mit dem
neuen Zustande zu erwecken." osthaus.
»
Dr. JOHANNES GOTHMANN richtet einen „offe-
nen Brief an die Redaktion von „K. u. K.", der folg.
Hauptpunkte enthält: „Museen sind Volksbesiß,
mag die juristische Formulierung dafür lauten wie sie
will, man tastet sie so wenig an wie die Kirchen.
Sei es im eigenen Land oder in der Fremde, dag
wir in ein Museum treten: ein Gefühl der Ehrfurcht
ergreift uns für das Volk, das darin dem Gött-
lichen, was des Menschen Hand zu gestalten gegeben
ist, eine bleibende Stätte errichtet hat. Unser
Leben ist eine endlose Wanderschaft; nur in den
seltenen Augenblicken, wo uns jene Höhenmale des
Geistes offenbar werden, glauben wir uns am Ziel.
Und jene Werke sollten umgetrieben werden von
den Wechseln der Geschichte immer wieder? Immer
wieder? Sie sollen sein wie wir? Nimmermehr!
Die Decke der Sixtina muß in Rom bleiben, Rem-
brandts Nachtwache in Amsterdam, die Venus von
Milo, wo sie nun einmal ist, in Paris. Und so
haben die Mittelteile des Genter Altars in St. Bavo
zu bleiben — wie die Seitenteile in Berlin. Haben
die Männer von Gent vor 100 Jahren sie um des
Geldes willen verschachert, so ist für uns Heutigen
wahrlich kein Anlaß, es ihnen gleich zu tun, d. h.
Kunstwerke als Bargeld in Zahlung zu nehmen.
Unser Krieg ist kein Raubkrieg; wir kämpfen nicht
um den materiellen Erfolg, den er darum troßdem
haben wird und muß. Die Kunst ist uns ein Ideales,
nicht materiell zu Bewertendes und soll es bleiben.
Nicht um ihres unbestimmbaren Geldwertes willen
wurden die alten niederländischen Altarbilder wäh-
rend der Katastrophe von Löwen aus der Kathe-
drale und der grauenvollen Nähe der feindlichen
Munition von unseren Leuten gerettet; sondern
unsere Offiziere und Mannschaften seßten Blut und
Leben ein — und leider nicht unbeschadet — um
dje altehrwürdigen Werke der Kunst, die für sie
nicht kunsthistorische Raritäten sondern geheimnis-
voll Geweihtes — eben Kunst! — waren, vor dem
Untergange zu behüten. Wer von ihnen hat dabei
wohl an das Kaiser Friedrich - Museum gedacht ?
Die Soldaten? Oder die Offiziere? Oder die
oberste Heeresleitung, die etwa eigens Befehle
gegeben haben sollte? Ihnen allen war die Kunst
— ohne Nebengedanken — heilig, und was sie
taten, kam in erster Linie sogar dem Feinde zu-
gute, dann aber uns, der ganzen Menschheit, so-
weit sie für Kunst empfänglich ist ... . Denken
wir doch an das, was kommen muß, wenn dieser
Krieg sein Ende haben wird. Über den Völkern
und allem ihrem Haß steht die Menschheit und
ihre Liebe. Wir müssen später wieder mit ein-
ander weiter leben, die wir uns heute blutige
Wunden schlagen müssen. Lassen wir das Krieg-
führen dem Staate und bringen wir uns, die wir
dem Franktireur keine Gnade geben, nicht in den
Verdacht, Kultur-Franktireure werden zu wollen.
Den besiegten Völkern ihren Kunstbesiß mindern
wollen, hieße ihnen, nachdem man sie am Leibe
gezüchtigt hat, an die Seele greifen. Wer weiß, ob
unsere Feinde von heut nicht morgen zu uns als
Freunde kommen möchten? Es wird schwer genug
sein, zu vergessen und zu vergeben und wieder
neuen Zugang, neues Vertrauen zu einander zu
finden. Aber was Taten und Worten schwer werden
mag: der Kunst vielleicht zuerst wird es gelingen,
das Herz des andern zu versöhnen und Freund
und Feind menschlich für einander zu gewinnen:
unserer deutschen Musik und der bildenden Kunst
der Völker — soweit sie eine Kunst haben....."
•
P. WESTHEIM äußert in der „Frkft. Z." u. a.:
„Es ist überhaupt nicht unsere Art, die eroberten
Provinzen ihrer Kunstschäße zu entblößen. Wie-
viel Gelegenheit dazu hätten wir 1870 gehabt I
Damals hat der Louvre keines seiner Millionenwerte
darstellenden Werke eingebüßt, damals ist es nie-
mandem eingefallen, aus dem eroberten Kolmar die
einzigartige Kunst des Meisters Grünewald nach
Berlin oder München oder sonstwohin zu ver-
schleppen. Und die Frage der Kriegsentschädigung
ist eine Angelegenheit, über die man sich augen-
blicklich in den Ländern unserer Gegner wohl mehr
den Kopf zerbrechen dürfte als bei uns . . . Einst-
weilen besteht in Deutschland, bei der Bevölkerung
wie bei der Heeresverwaltung, um den belgischen
Kunstbesirj nur die Sorge, daß er unverleßt
über die Kriegswirren hinwegkomme,
daß Feuer, diebisches Gesindel und dergl. Ge-
fahren, denen er nun einmal ausgeseßt ist, ihm
nichts anhaben können. Das möge man wissen
draußen in der Welt überall, wo Herzen um diese
einzigartigen Schönheiten zittern... ."
Mit diesen Darlegungen hoffen wir die Frage
endgültig geklärt und abgetan...... a. k.
181
und zweifellos ist der Sieger in der Lage und be-
rechtigt, die Abtretung von Kunstwerken zur Be-
dingung zu machen. Da jedoch die Abtretung von
Kunstwerken schwerer und dauernder empfunden
wird als eine Kriegsentschädigung in Geld, so wird
sich die Diplomatie die Frage vorlegen müssen,
ob der Gewinn eine dauernde Verstimmung auf-
wiegt. Will man z. B. Belgien dem Deutschen
Reiche einverleiben, so würde ich es grundsätjlich
für falsch halten, belgische Sammlungen wichtiger
Bilder zu berauben, vor allem solcher, die der
vlämischen Malerschule angehören. Deutschland
müßte im Gegenteil sein Augenmerk darauf rich-
ten, Belgien als ein ehemals zum Reiche gehöriges
Land wie einen wiedergewonnenen Bestandteil
seiner selbst zu behandeln, um in der dortigen
Bevölkerung eine rückhaltlose Befriedigung mit dem
neuen Zustande zu erwecken." osthaus.
»
Dr. JOHANNES GOTHMANN richtet einen „offe-
nen Brief an die Redaktion von „K. u. K.", der folg.
Hauptpunkte enthält: „Museen sind Volksbesiß,
mag die juristische Formulierung dafür lauten wie sie
will, man tastet sie so wenig an wie die Kirchen.
Sei es im eigenen Land oder in der Fremde, dag
wir in ein Museum treten: ein Gefühl der Ehrfurcht
ergreift uns für das Volk, das darin dem Gött-
lichen, was des Menschen Hand zu gestalten gegeben
ist, eine bleibende Stätte errichtet hat. Unser
Leben ist eine endlose Wanderschaft; nur in den
seltenen Augenblicken, wo uns jene Höhenmale des
Geistes offenbar werden, glauben wir uns am Ziel.
Und jene Werke sollten umgetrieben werden von
den Wechseln der Geschichte immer wieder? Immer
wieder? Sie sollen sein wie wir? Nimmermehr!
Die Decke der Sixtina muß in Rom bleiben, Rem-
brandts Nachtwache in Amsterdam, die Venus von
Milo, wo sie nun einmal ist, in Paris. Und so
haben die Mittelteile des Genter Altars in St. Bavo
zu bleiben — wie die Seitenteile in Berlin. Haben
die Männer von Gent vor 100 Jahren sie um des
Geldes willen verschachert, so ist für uns Heutigen
wahrlich kein Anlaß, es ihnen gleich zu tun, d. h.
Kunstwerke als Bargeld in Zahlung zu nehmen.
Unser Krieg ist kein Raubkrieg; wir kämpfen nicht
um den materiellen Erfolg, den er darum troßdem
haben wird und muß. Die Kunst ist uns ein Ideales,
nicht materiell zu Bewertendes und soll es bleiben.
Nicht um ihres unbestimmbaren Geldwertes willen
wurden die alten niederländischen Altarbilder wäh-
rend der Katastrophe von Löwen aus der Kathe-
drale und der grauenvollen Nähe der feindlichen
Munition von unseren Leuten gerettet; sondern
unsere Offiziere und Mannschaften seßten Blut und
Leben ein — und leider nicht unbeschadet — um
dje altehrwürdigen Werke der Kunst, die für sie
nicht kunsthistorische Raritäten sondern geheimnis-
voll Geweihtes — eben Kunst! — waren, vor dem
Untergange zu behüten. Wer von ihnen hat dabei
wohl an das Kaiser Friedrich - Museum gedacht ?
Die Soldaten? Oder die Offiziere? Oder die
oberste Heeresleitung, die etwa eigens Befehle
gegeben haben sollte? Ihnen allen war die Kunst
— ohne Nebengedanken — heilig, und was sie
taten, kam in erster Linie sogar dem Feinde zu-
gute, dann aber uns, der ganzen Menschheit, so-
weit sie für Kunst empfänglich ist ... . Denken
wir doch an das, was kommen muß, wenn dieser
Krieg sein Ende haben wird. Über den Völkern
und allem ihrem Haß steht die Menschheit und
ihre Liebe. Wir müssen später wieder mit ein-
ander weiter leben, die wir uns heute blutige
Wunden schlagen müssen. Lassen wir das Krieg-
führen dem Staate und bringen wir uns, die wir
dem Franktireur keine Gnade geben, nicht in den
Verdacht, Kultur-Franktireure werden zu wollen.
Den besiegten Völkern ihren Kunstbesiß mindern
wollen, hieße ihnen, nachdem man sie am Leibe
gezüchtigt hat, an die Seele greifen. Wer weiß, ob
unsere Feinde von heut nicht morgen zu uns als
Freunde kommen möchten? Es wird schwer genug
sein, zu vergessen und zu vergeben und wieder
neuen Zugang, neues Vertrauen zu einander zu
finden. Aber was Taten und Worten schwer werden
mag: der Kunst vielleicht zuerst wird es gelingen,
das Herz des andern zu versöhnen und Freund
und Feind menschlich für einander zu gewinnen:
unserer deutschen Musik und der bildenden Kunst
der Völker — soweit sie eine Kunst haben....."
•
P. WESTHEIM äußert in der „Frkft. Z." u. a.:
„Es ist überhaupt nicht unsere Art, die eroberten
Provinzen ihrer Kunstschäße zu entblößen. Wie-
viel Gelegenheit dazu hätten wir 1870 gehabt I
Damals hat der Louvre keines seiner Millionenwerte
darstellenden Werke eingebüßt, damals ist es nie-
mandem eingefallen, aus dem eroberten Kolmar die
einzigartige Kunst des Meisters Grünewald nach
Berlin oder München oder sonstwohin zu ver-
schleppen. Und die Frage der Kriegsentschädigung
ist eine Angelegenheit, über die man sich augen-
blicklich in den Ländern unserer Gegner wohl mehr
den Kopf zerbrechen dürfte als bei uns . . . Einst-
weilen besteht in Deutschland, bei der Bevölkerung
wie bei der Heeresverwaltung, um den belgischen
Kunstbesirj nur die Sorge, daß er unverleßt
über die Kriegswirren hinwegkomme,
daß Feuer, diebisches Gesindel und dergl. Ge-
fahren, denen er nun einmal ausgeseßt ist, ihm
nichts anhaben können. Das möge man wissen
draußen in der Welt überall, wo Herzen um diese
einzigartigen Schönheiten zittern... ."
Mit diesen Darlegungen hoffen wir die Frage
endgültig geklärt und abgetan...... a. k.
181