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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 35.1914-1915

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Mittenzwey, Kuno: Maler Julius Hess, München
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https://doi.org/10.11588/diglit.7013#0439

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JULIUS HESS—MÜNCHEN.

GEMÄLDE »STILLEBEN«

MALER JULIUS HESS-MÜNCHEN.

Das ist die größte Beunruhigung für den
Maler: daß er die Natur nicht bis zu Ende
ausschöpfen kann. Wenn er erst einmal durch
sein Talent hindurch in die Berührung mit der
sichtbaren Welt eingetreten ist, ist das Einzige,
was ihm Qual bereiten mag, niemals ein Mangel,
sondern eine Überfülle herandrängender In-
halte. Er mag den Bereich des Gegenständ-
lichen , mit dem er auseinanderzusetzen sich
vornimmt, noch so eng umzirken, stets findet
er sich einer Unendlichkeit gegenübergestellt.
Wenn Cezanne, wenn Schuch gerade in ihren
reifsten Bildern von Gegenständlichkeit nichts
weiterwollen anwesend sein lassen als ein paar
Früchte, ein Gefäß, was ist das anders als das
Bekenntnis, daß das malerische Ereignis, um
das es sich handelt, auch in dem bescheidensten
Winkel der sichtbaren Welt in ganzer Fülle
anwesend ist. So finden sich gerade die male-
rischsten Künstler immer wieder auf das Still-
leben zurückgeführt, nicht aus einer Armut oder
stofflichen Uninteressiertheit der Phantasie,
sondern aus einem Überfluß des Geschauten.
—■ Wenn wir die Kunst Julius Heß' von

seinen Stilleben her zu erfassen suchen, so
soll er damit nicht etwa als Stillebenmaler im
Spezialistensinne schabionisiert sein. Auchnicht
in dem Sinne, als ob ihn eine besondere Liebe
zum Kleinen oder eine betuliche Anteilnahme
am unbeseelten Dinge zum Stilleben hinzöge.
Wenn gleichwohl Julius Heß, so wenig sich
sein bisheriges Schaffen auf das Stilleben be-
schränkt, sich doch sichtlich immer wieder zum
Stilleben zurückgeführt fühlt, so leitet ihn da-
bei wohl das Gefühl des richtigen Malers: daß
er nur hier, im engsten Rahmen des Gegen-
ständlichen, zur Auseinandersetzung mit der
Farbe kommen könne, von der er so sehr viel
sieht. Zugleich genießt er dabei das souveräne
Gefühl, daß er hier, wo er über das Gegen-
ständliche wie über ein bloßes Mittel verfügen
kann, am ungehemmtesten aus seinem koloristi-
schen Temperament heraus komponieren kann.
Denn wenn er nun in seinen Arbeiten an die
Stelle kommt, wo das Problem des Stillebens
beginnt: der geschauten Fülle der Inhalte Halt
und Gestalt zu geben, Einheit und Eigenheit
zu bringen in den Strom der Bilder — da stellt

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