Max Liebermann—Berlin.
PROFESSOR MAX LIIC1SERMANN - BERLIN.
GEMÄLDE »STEVENSSTIFT IN LEIDEN« (1890).
Strömung geschaffen und dem Impressionismus
eine deutsche Physiognomie aufgesetzt. Das
ist richtig, aber, so folgert man nun erst weiter,
darauf kam die Entwicklung und die Entwick-
lung ist weder beim Impressionismus, noch bei
Max Liebermann stehen geblieben. Die Ent-
wicklung hat später einen andern Weg einge-
schlagen. Die Entwicklung hat den Zeitgenossen
der älteren Franzosen mit sanfter Unerbittlich-
keit überholt, als andere Zeiten kamen und
andere Götter von jenseits des Rheins aufstan-
den, und nun ist Max Liebermann also histo-
risch, nun ist er ein Zeitdenkmal geworden.
Ein Dokument. Ein erledigtes Kapitel. Und
dabei beruhigt man sich dann erst wirklich.
Die Vertreter des jüngsten Stils, die sich zum
Unterschied von den Impressionisten Expressio-
nisten nennen lassen, weil sie nicht mehr Söhne,
sondern Enkel der sichtbaren Natur sein wollen,
schieben den Maler des Sichtbaren nun, da er
sich den Siebzigern nähert, mit einem an Un-
geduld grenzenden Respekt in die Ahnenhalle
ab. —■ Irren wir nicht, so ist das die Fassung
von heute, die man Liebermann gibt. Man
studiert ihn nicht, aber man huldigt ihm „ge-
schichtlich". Man schreibt registrierende An-
erkennungen über ihn, aber man verrät, ohne
es doch immer verraten zu wollen, daß man
sich seiner Kunst nicht mit der Unbedingtheit
einer Empfindung hingibt.
Wohlan denn, dieser Auffassung trete hier
eine völlig andere entgegen. Allen modegültigen
Ansichten über Entwicklung und Überwindung
im Künstlerischen, über den einen Ismus, der
einen andern ablöst, über die Bedeutsamkeit
solcher Einwendungen einer künstlerischen Tat
gegenüber sind wir so fern, daß wir nicht einmal
ihre Schatten bemerken, wenn wir in die helle
Atmosphäre Liebermannscher Malerei treten.
« « «
Vom Erlebnis wollen wir ausgehen, nicht von
irgend einem Glauben oder einer Formel. Wir
wollen uns Rechenschaft ablegen über die Art
des Erlebnisses, über seine Einzelheiten und
PROFESSOR MAX LIIC1SERMANN - BERLIN.
GEMÄLDE »STEVENSSTIFT IN LEIDEN« (1890).
Strömung geschaffen und dem Impressionismus
eine deutsche Physiognomie aufgesetzt. Das
ist richtig, aber, so folgert man nun erst weiter,
darauf kam die Entwicklung und die Entwick-
lung ist weder beim Impressionismus, noch bei
Max Liebermann stehen geblieben. Die Ent-
wicklung hat später einen andern Weg einge-
schlagen. Die Entwicklung hat den Zeitgenossen
der älteren Franzosen mit sanfter Unerbittlich-
keit überholt, als andere Zeiten kamen und
andere Götter von jenseits des Rheins aufstan-
den, und nun ist Max Liebermann also histo-
risch, nun ist er ein Zeitdenkmal geworden.
Ein Dokument. Ein erledigtes Kapitel. Und
dabei beruhigt man sich dann erst wirklich.
Die Vertreter des jüngsten Stils, die sich zum
Unterschied von den Impressionisten Expressio-
nisten nennen lassen, weil sie nicht mehr Söhne,
sondern Enkel der sichtbaren Natur sein wollen,
schieben den Maler des Sichtbaren nun, da er
sich den Siebzigern nähert, mit einem an Un-
geduld grenzenden Respekt in die Ahnenhalle
ab. —■ Irren wir nicht, so ist das die Fassung
von heute, die man Liebermann gibt. Man
studiert ihn nicht, aber man huldigt ihm „ge-
schichtlich". Man schreibt registrierende An-
erkennungen über ihn, aber man verrät, ohne
es doch immer verraten zu wollen, daß man
sich seiner Kunst nicht mit der Unbedingtheit
einer Empfindung hingibt.
Wohlan denn, dieser Auffassung trete hier
eine völlig andere entgegen. Allen modegültigen
Ansichten über Entwicklung und Überwindung
im Künstlerischen, über den einen Ismus, der
einen andern ablöst, über die Bedeutsamkeit
solcher Einwendungen einer künstlerischen Tat
gegenüber sind wir so fern, daß wir nicht einmal
ihre Schatten bemerken, wenn wir in die helle
Atmosphäre Liebermannscher Malerei treten.
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Vom Erlebnis wollen wir ausgehen, nicht von
irgend einem Glauben oder einer Formel. Wir
wollen uns Rechenschaft ablegen über die Art
des Erlebnisses, über seine Einzelheiten und