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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 39.1916-1917

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Schrey, Rudolf: Nachruf Fritz Boehle
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https://doi.org/10.11588/diglit.8535#0230

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FRITZ BOEHLE f

In der Nacht vom 19. auf
den 20. Oktober 1916
ist Friß Boehle im Alter
von noch nicht 44 Jahren
gestorben. Mit ihm ha-
ben wir eine der größten
Hoffnungen Deutscher
Kunst zu Grabe getra-
gen. Als ich in dieser
Zeitschrift Januar 1915
das Schaffen des Künst-
lers zu würdigen ver-
suchte, ahnte ich nicht,
in welch kurzer Zeit ich
einen Nachruf folgen zu
lassen habe. Bei der Ab-
geschiedenheit, in wel-
cher Boehle lebte, erhält
man erst jetgt die Kunde,
daf5 er schon seit Jahren

schwer leidend war; Krankheiten, die nur durch
größte Ruhe erträglich werden, vermochten nicht,
ihn von rastloser Arbeit abzuhalten, und so ist er
schließlich auch für seine Angehörigen unerwartet
dahingeschieden. — Als das Stä-
delsche Kunstinstitut um Neujahr
1908 eine umfangreiche Ausstel-
lung seiner Werke — Gemälde
und Radierungen - zeigte.wirkte
dieselbe wie eine Offenbarung,
und es war nur freudigst zu be-
grüßen, daß die Stadt Frank-
furt alle ausgestellten noch im
Besiß des Künstlers befindlichen
Gemälde erwarb. Ob der Künst-
ler die in ihn geseßten Hoff-
nungen erfüllte, können wir noch
nicht beurteilen, da er nach die-
ser Zeit sich noch ängstlicher
als vorher gegen die Mitwelt ab-
schloß, denn troßdem er für heu-
tige Verhältnisse eiii Frühreifer
gewesen — im Alter von 19 Jah-
ren schuf er schon Radierungen
von ansehnlicher Größe — war
er doch kein Frühvollendeter, da
seine bisher bekannten Werke
immer noch mehr oder weniger
im Banne gediegener Vorbilder
entstanden und er der Welt noch
den Boehle schuldig war. Sein
Nachlaß wird uns auch zeigen,
was wir von ihm als Bildhauer
zu erwarten hatten. Das Reiter-
standbild Karls des Großen für
Frankfurt ist über Entwürfe nicht

ERICH nUTTNICR U. ELSA HOFFMANN. »SE1DHNSTICK KRKI« NAT. GRÖSSE.

E. BUTTNER U. E. HOFFMANN. »KLEINE STICKEREI

hinausgekommen. Nach
Anfertigung eines neue-
ren in kleinerer Ausfüh-
rung soll der Künstler,
der immer schonungs-
loseste Selbstkritik übte,
das frühere große Gips-
modell vernichtet haben.
— Es ist ein Verhängnis,
hervorgerufen durch eine
Verkettung von Umstän-
den, daß man zwar viel
von seinenWerken hörte,
aber wenige derselben
zu sehen bekam. Auch
die von Frankfurt ange-
kauften Gemälde konn-
ten vorerst nur in unzu-
reichender Weise ge-
zeigt werden, dann muß-
ten fast alle beiseite ge-
stellt werden, harrend ihrer Auferstehung in dem
der Vollendung entgegengehenden Anbau an das
Städelsche Kunstinstitut; der gewaltige in Bronze ge-
gossene Stier steht in einer Ecke des Grundstückes
der Kunstschule, ebenfalls einer
würdigen Aufstellung harrend.
So mußte man sich begnügen,
allerlei mehr oder minder erbau-
liche Geschichten über den Men-
schen Boehle zu hören, die auch
die Nachrufe der Zeitungen nicht
gerade geschmackvoll verbräm-
ten. Wir werden uns von jeßt ab
wohl nur noch mit dem Künstler
auseinanderzuseßen haben. —
Weiteren Kreisen ist er durch
seine Radierungen und Stein-
zeichnungen bekannt, und in den
Sammlungen in Berlin, Bremen,
Dresden, Frankfurt finden wir sie
reich vertreten, zur Zeit veran-
stalten Berlin, Frankfurt und an-
dere Städte Ausstellungen der-
selben. Viel zu wenig beachtet
sind seine Drucke vom Stein,
die,meist vongroßen Ausmaßen,
einen gediegenen Wandschmuck
abgeben und durch ihren billigen
Preis auch dem nicht mit beson-
dernGlücksgütern ausgerüsteten
Kunstfreund leicht erschwinglich
sind. Der Künstler wollte mit
diesen Werken den Bestrebun-
gen nach Volkskunst entgegen-
kommen; die meisten entstan-
den im Jahre 1908, das wohl

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