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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 39.1916-1917

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Gold, Alfred: Max Liebermann, Berlin
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https://doi.org/10.11588/diglit.8535#0022

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Max Liebermann-Berlin.

PROFESSOR MAX LIEBERMANN BERLIN.

»RESTAURANT JAKOB AN DER ELBE« (19U2).

gesättigt. Sie kann sogar etwas trocken an-
muten, wenn sie nicht von dem Licht unter-
stützt wird, das sie braucht. Die „Frau mit
den Ziegen" ist 1890 entstanden. Das Jahr ist
für Liebermann bedeutsam. Es weist auf einen
Punkt seiner Laufbahn, der eine Schaffens-
wende bedeutet.

« « «

Orientieren wir uns von diesem Zeitpunkt
aus. Wo stand Liebermann damals? Mit wem
berührte er sich künstlerisch? Am ehesten
wohl noch mit Josef Israels. Heroische Motive
aus dem Bauern- und Seemannsberuf, drama-
tische Szenerien, mit holländischen Figuren
staffiert, beschäftigten seine Einbildungskraft.
Wenige Jahre vor dem Ziegenbild waren die
„Netzflickerinnen", das monumentale Werk der
Hamburger Kunslhalle, entstanden und dieses''
Werk hatte, wie Erich Hancke in seinem ge-
wissenhaften und schönen Liebermannbuch er-
zählt, den Künstler als Vertreter des groß-
naturalistischen Bauern- und Arbeiterbildes be-
rühmt gemacht, ihn zum Wortführer einer neuen
— damals neuen — malerischen Auffassung des
naturgebundenen ländlichen Daseins erhoben.

Zum Schibboleth war dieses Bild mit den

Frauen, die im Dünengras sitzen und an den
Fischernetzen arbeiten, und mit der großen
Monumentalfigur im Vordergrunde geworden.
Kenner wie Emil Heilbut fühlten sich davon
aufgerufen zu öffentlicher Parteinahme. Kein
geringerer als Wilhelm Bode hatte das Bild in
Paris auf der großen Ausstellung entdeckt und
den Ankauf für Hamburg, wie er in einer ver-
trauten Stunde einmal erzählte, vermittelt. Der
Liebermann der großen, heroischen, wenn auch
schon ganz in moderne Atmosphäre und nüch-
ternes Tageslicht gehüllten Historie war damals
seinem Vaterlande und weit über die Grenzen
seines Vaterlandes hinaus verkündet worden.

In der Tat fordert diese Epoche Liebermanns
zu einem Vergleiche mit Israels heraus. Israels
und allenfalls noch Bastien Lepage, dem der
Künstler um diese Zeit wohl auch noch, wenig-
stens stofflich, nahestand, haben ähnliches ge-
wollt und ähnliches entworfen. Aber was zeigt
dieser Vergleich? Er offenbart bei genauerem
Zusehen nur, wie selbständig, wie überlegen,
ja unvergleichlich schon die künstlerische Hand-
schrift des Vierzigjährigen neben seinen An-
regern, die man nur mit bescheidener Ein-
schränkung seine Vorbilder nennen darf, wirkt.
 
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