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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 39.1916-1917

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Gold, Alfred: Max Liebermann, Berlin
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https://doi.org/10.11588/diglit.8535#0026

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Max Liebermann Berlin.

PROFESSOR MAX LIEBERMANN BERLIN.

»AMSTERDAMER WAISENMADCHEN« (1882).

man das übersehen wollte, ist dieser Übergangs-
zustand in Liebermanns Schaffen doch nicht
etwa eine hohle Niete. Es ist ein Zustand neuen
Ringens nach neuen Ufern. Man darf nicht
vergessen, was diesen Jahren schon vorausge-
gangen war an Schaffensglück und gesicherter
Ernte, die reich und überreich genützte Zeit-
spanne von anderthalb Jahrzehnten hindurch.
• ■ « «

Romanhaft ist heute schon der Eindruck, der
sich mit dem Versuch verbindet, die erste Schaf-
fenszeit Liebermanns, die Zeit vor jenen großen
Werken der Achtzigerjahre, aufzurollen. Roman-
haft klingt die Geschichte der Erstlinge selbst.

Man denke: Ein j unger Mann aus allerbürger-
lichster Umgebung, aus jüdischer Berliner Kaüf-
mannsfamilie, ohne Anregung, ohne Vorbild,
nicht einmal mit dem Schicksal der Aben-
teuerlichkeit oder Armut belastet, noch ge-
wöhnlicher und allen Verlockungen entrückter
durch den Reichtum des Vaterhauses, das ist
Max Liebermann in den entscheidenden An-
fängerjahren. Ein unentschlossener Student,
der das Gymnasium absolviert hat, beginnt er
zu zeichnen bei dem gemütlichen alten Steffeck

in Berlin ; geht nach Weimar auf die Akademie,
immer noch ohne irgend ein besonderes An-
zeichen seiner Bestimmung, einer der Aus-
erwählten zu sein; sucht und versucht und ver-
beißt sich in akademische Aufgaben, die sich
ihm immer wieder versagen, bis er eines Tages
... bis er auf einmal „sein" Motiv findet. Das
Volk bei der Arbeit, wie es wirklich ist, in der
Ungezwungenheit und Richtigkeit seiner Be-
wegungen, die Bauern im Feld, alte Frauen bei
„niedriger" handwerklicher Beschäftigung, das
öffnet irgend eine verborgene naturgeborene
Kraft seiner Sinne. Das spannt seine Energie
im Schauen, seine Energie der Hand und der
Arbeit an. Wohl bekehrt er sich zu einem
Vorbild, zu Munkacsy, dessen Kunst er auf
einer Reise in Düsseldorf kennen lernt, weil
Munkacsy der Banalität des akademischen
Schemas gegenüber ihm das Glück eines Malens
auf eigene Faust, mit persönlichen Wirkungen
und persönlichen Möglichkeiten, zeigt. Eine
andere Begegnung zu jener Zeit hätte ihn viel-
leicht nach einer anderen Richtung in die Frei-
heit geführt. Die Freiheit ist die Hauptsache.
Und nun reifen in der Werkstatt des Fünf-
 
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