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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 39.1916-1917

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Lübbecke, Fried: Gegen die Maßlose Reklame
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https://doi.org/10.11588/diglit.8535#0096

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Gegen die maßlose Reklame.

worden. Sie verlangen Stille und Sammlung.
Wir wollen unsere Städte, groß und klein, in
ruhiger Geschäftigkeit sehen, die durchaus keine
Grabesruhe bedeutet. Sicher wird ein Kind,
ja der Mensch aller Lebensjahre, gesunder in
einer vornehm gehaltenen Stadt sich entwickeln
als in der, des das bussines letzte Weisheit ist.
Den Schlußstein aber setze der Ethiker in den
Bogen: Wir wollen keine Stadt, in der der
Egoismus sich schamlos spreizt, wo dem der
höchste Gewinn winkt, der am lautesten schreit.

Such Er den redlichen Gewinn !
Sei Er kein schellenlauter Tori
Es trägt Verstand und rechter Sinn
Mit wenig Kunst sich selber vor.

Und unsere ganz großen Kaufleute wie Tietz,
Wertheim, Wronker, Feinhals, Bahlsen, Kaffee
Hag werden dem Zweifelnden sagen können,
daß sie bei ihrer umfassenden aber zurückhal-
tenden, künstlerisch geleiteten Reklame durch-
aus auf ihre Kosten kommen.

Keineswegs soll es sich um eine völlige
Ausschaltung der Reklame handeln. Doch
müssen in Zukunft der Allgemeinheit Mittel zur
Zurückweisung unnötiger geschmack- und maß-
loser Reklame zur Verfügung stehen. Eine be-
rufene Stelle ihrer Anwendung gibt es leider
noch nicht. Wohl werden Polizeipräsidien grö-
ßerer Städte über genügend gebildete Kräfte
verfügen, um die Reklame in künstlerischen
und ethischen Grenzen zu halten. In solchen
Städten dürften sich auch unschwer Berater

finden, die ehrenamtlich und unparteiisch der
Polizei zur Seite träten. Wesentlich schwieriger
liegt der Fall in kleineren Orten, deren von den
Altvorderen überkommene, uns jetzt doppelt
liebe Schönheit vor allem durch die Großbe-
triebs-Reklame bedroht wird, die ohne Rück-
sicht auf den späteren Anbringungsort nach
einem Schema in Massen hergestellt und fertig
versandt wird. Hier wäre den Provinzial-
und Landeskonservatorien die Möglichkeit des
Einschreitens zu übertragen. Ihren bewährten
Vertrauensmännern, die besonders in der Rhein-
provinz mustergültig mit dem Provinzialkonser-
vator zusammenarbeiten, wären zweckdienlich
alle Reklamen vor der Anbringung zur Be-
ratung vorzulegen. Nur in letzter Stelle hätte
der Provinzialkonservator einzuschreiten.

Doch ist zu hoffen, daß diese „polizeiliche"
Aufsicht nur von kurzer Dauer sein wird, da
sich in unserer jüngeren Generation derartige
kulturelle Bestrebungen mehr und mehr durch-
setzen. Nur sollte verhindert werden, daß der
künstlerisch verantwortungsvolle Geschäfts-
mann durch die rohere Geschäftsgebahrung
seiner Konkurrenz geschädigt und gar — wider
sein besseres Gefühl — zum Mittun gezwungen
wird. Wie heute jeuer Kaufmann die Sonntags-
ruhe, deren Einführung zunächst schwer eKämpfe
kostete, als einen Segen empfindet, so wird
er auch später denen Dank wissen, die ihn und
seine Mitbürger von der heutigen Reklame-
seuche befreiten, dr. fried Lübbecke Frankfurt.

EMIL POTTNER - BERLIN. »TIERPLASTIKEN« IN FARBIGER KERAMIK AUSGEFÜHRT.
 
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