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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 39.1916-1917

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Westheim, Paul: Publikums-Kunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.8535#0120

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Publikumskunst.

des neuen Talents
gebraucht hat. Bis
in die letzte Zeit,
bis es nämlich zu
einem Gesellschafts-
spiel geworden ist,
die „Jungen zu ent-
decken", gehörte es
zur Legende des
Künstlerlebens, nach
einem Bruch mit
der Akademie eine
elende Dachkammer-
existenz zu fristen,
als verkanntes Genie
durch das Leben zu
vegetieren, bis dann
nach dem Tode die
gloriose Aufersteh-
ung kam: die stür-
mische Begeisterung
der Massen, die Rie-
senpreise und Riesen-
honorare, bei Bildern
und Plastiken der An-
kauf für die öffent-
lichen Sammlungen
des Staates. Kleist,
Flaubert, Marees,
Hebbel, Feuerbach,
Leibi, Böcklin, Wag-
ner, in bunter Reihe
ein paar der Schick-
sale, die so — pro-
grammäßig verlaufen
sind. Noch Dutzende
wären zu nennen;
einzelne wie Degas,
wie Monet, wie unser
Hagemeister waren
von so guter Körper-
konstitution, daß sie
selbst noch Zeugen
dieses ihres Nach-
ruhms zu werden ver-
mochten. Die mei-
sten aber — als ty-
pischster wohl der
arme van Gogh —
lebten das Klischee

der sogenannten
Künstlerromane. Sie
wollten Kunst, wirk-
liche Kunst und nicht
Publikumskunst ma-
chen und gingen so
als unheilbare Idea-

PROF. J. HOFFMANN. »STEH-LAMPE« AUSF: WIENER WERKST.

listen zugrunde. —
Das nämlich ist der
Konflikt in all die-
sen Künstler-Roma-
nen : eines Tages
nach endlos erfolg-
losen Mühen steht
der arme abgehetzte
Kerl vor der Ent-
scheidung, entweder
seine künstlerische
Überzeugung, seine
innere Wahrhaftig-
keit preiszugeben
oder ein Leben im
Dunkeln, ohne Aner-
kennung, ohne Aus-
sicht auf die allerbe-
scheidenste bürger-
liche Existenz führen
zu müssen. Ist er cha-
rakterlos genug, dem
Allerweltsgeschmack
nachzugeben, macht
er das Seichte, Phra-
senhafte , Geleckte
und Gezierte, das,
was der Künstler
eben verächtlich mit
der Geste: Publi-
kums - Kunst abtut,
dann blüht ihm der
Tages - Erfolg, dann
kommen die schmei-
chelhaften Anerken-
nungen, die großen
Aufträge, die Ströme
Goldes. Die Verle-
ger, dieTheaterdirek-
toren, die Kunst-
händler reißen sich
um jedes neue Werk,
die Zeitungsleute lau-
fen dem neuen „ Lieb-
ling des Publikums"
nach; alles, was er
tut, was er spricht,
was er wünscht oder
plant, wird mit der
Druckerschwärze ge-
hörig ausgewalzt. Die
Gesellschaft rechnet
es sich als eine Ehre
an, den so Gefeierten
zu den Ihrigen zählen
zu dürfen. Schönen
Frauen ist es ein

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