Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 39.1916-1917

DOI Artikel:
Wolzogen, Ernst von: Freilicht-Theater auf der "Mathildenhöhe"
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.8535#0143

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
FRE1I.ICHT-AUFFÜHRUNG IN DARMSTADT.

»FRL. EK HEI.SHE1M ALS SAI'I'IIO« III. AUFZUG.

FREILICHT-THEATER AUF DER »MATHILDENHÖHE«

Zum erstenmal seit Ausbruch des Weltkrieges
war am 12. August dieses Jahres das edel-
heitere Kunsteiland der Darmstädter Mathilden-
höhe seiner ureigentlichen Bestimmung wieder-
gegeben. Frieda Eichelsheim, die unver-
gessene einstige Zierde unseres Hoftheaters
und, seit etlichen Jahren, Wiesbadener Heroine,
hatte sich mit dem rühmlichst bekannten Wies-
badener Theatermann Paul Linsemann ver-
bündet, um die Wirkung einer sommerlichen
Freilichtaufführung mit dem Hintergrunde des
stolzen Olbrich-Baues zu erproben. Der wohl-
tätige Zweck, die Begünstigung des Unterneh-
mens durch den Hof und die Gesellschaft und
auch wohl die Sehnsucht der harten Zeit nach
einer nicht würdelosen Entspannung hatten den,
vernünftiger Weise nicht allzu ausgedehnten,
Zuschauerraum dicht zu füllen vermocht. Ganz
leicht war der Genuß dieses seltenen Freilicht-
spieles nicht erkauft, denn in den ersten zwei
Stunden brannte die liebe Sonne recht unbarm-
herzig dem Zuschauer auf den Rücken, blendete
die Schauspieler, und auf den entfernteren
Plätzen ließ die Verständlichkeit viel zu wün-
schen übrig; aber die vortreffliche Eignung des
Schauplatzes für derartige festliche Vorfüh-

rungen wurde durch den geglückten ersten Ver-
such erwiesen. Man hätte auch keine verstän-
digere Wahl für diesen Versuch treffen können,
als gerade Grillp arz er s oft bewährte, freund-
liche Tragödie „Sappho". Gehalt und Aus-
drucksmittel dieses liebenswürdigen Bieder-
manns-Spieles stehen stilistisch in nächster Ver-
wandtschaft zum Stile des Bauwerks, das den
Hintergrund dafür abgab, denn auch Olbrichs
heiter-feierlicher Ausstellungsbau darf wohl als
eine Synthese von hellenistischer Klassizität
mit Wiener, ein wenig biedermeierisch koketter
Anmut gekennzeichnet werden. Doch immer-
hin: Olbrich ist klassischer als Grillparzer, dem
unter dem Halsausschnitt des Chiton doch im-
mer der saubere Vatermörder von 1840 hervor-
guckt. Seine gehobene Sprache von anno da-
zumal ist, an den Maßstäben heutiger Vers-
kunst gemessen, auf den Pegel einer anständigen
Trivialität herabgesunken und hinter seinen
tragischen Masken entdecken wir mit verständ-
nisvollem Lächeln eine geheime Hofratstochter
gesetzten Alters, die sich durch erfolgreiche
Schriftstellerei einen Namen gemacht hat
(Sappho), einen tadellos gewachsenen, herzigen
und leidlich feschen Sportsmann, k. k. Funk-

XX. Oktober 1916. 13
 
Annotationen