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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 39.1916-1917

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Warstat, Willi: Ähnlichkeit im photographischen Bildnis: zu den Photographien von Rudolf u. Minya Dührkoop
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https://doi.org/10.11588/diglit.8535#0183

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ÄHNLICHKEIT IM PHOTOGRAPHISCHEN BILDNIS.

ZU DEN PHOTOGRAPHIEN VON RUDOLF U. MINYA DÜHRKOOP.

Das Problem der Ähnlichkeit ist in der Bild-
nisphotographie ein grundlegend anderes
als in der Bildnismalerei. Das ergibt sich schon
aus den psychologischen und technischen Vor-
aussetzungen, unter denen sich die Arbeit des
Malers einerseits, die des Bildnisphotographen
anderseits vollzieht. — Jedes gemalte Bildnis
ist das Resultat einer längere Zeit fortgesetzten
Beobachtung. Bei dem Studium seines Mo-
delles trägt der Maler Zug um Zug die Einzel-
heiten zusammen, die ihm für dessen Persön-
lichkeit wertvoll und ausdrucksvoll erscheinen,
Einzelheiten vielleicht, die er zu ganz verschie-
denen Zeiten in der Erscheinung, der Haltung,
dem Ausdruck des Modelles aufgefaßt hat.
Jedes gemalte Bildnis ist in diesem Sinne ein
Niederschlag unzählig vieler Eindrücke und Er-
fahrungen, die der Maler gegenüber dem Modell
hatte, es ist eine Gesamtdarstellung der
Persönlichkeit. Daher rührt es auch, daß
uns die malerische Ähnlichkeit als etwas Run-
des, lebensvoll Plastisches und daher selbst-
sicher in sich Ruhendes erscheint.

Der Bildnisphotograph befindet sich dagegen
infolge der Eigentümlichkeit seiner Technik bei
der Bewältigung des Ähnlichkeitsproblems in
einer ganz anderen und in mancher Beziehung
viel schwierigeren Lage. Während der Künstler
seine Eindrücke im Bilde summiert, schneidet
der photographische Apparat aus dem leben-
digen Flusse des Geschehens, des Lebens der
Persönlichkeit einen einzelnen Augenblick, einen
Einzeleindruck heraus, und die Aufgabe des
Bildnisphotographen ist dann diese, den Augen-
blick so zu wählen und auszugestalten, daß er
zum Bilde und zwar zum ähnlichen Bilde wird.

Allerdings darf man den Begriff der „Ähn-
lichkeit" dabei nicht in dem Sinne allein fassen,
den das große Publikum davon hat und nach dem
es seinerseits in gar zu vielen Fällen die Bildnis-
photographie beurteilt. Für das Publikum ist
meistens das „ähnlich", was ihm hübsch und
gefällig erscheint, „unähnlich" aber erscheint
ihm eine Photographie vor allen Dingen dann,
wenn man sich nicht vorteilhaft darin vor-
kommt. Für den Bildnisphotographen müssen
aber vor allen Dingen solche Augenblicke als
„ähnlich" und darstellenswert erscheinen, in
denen die Persönlichkeit, das geistige, seelische
Leben des Modelles am klarsten und unmittel-

barsten aus seiner Haltung, seiner Bewegung,
seinem Gesichtsausdruck strahlt. Diese Augen-
blicke muß er mit Zielsicherheit zu beobachten,
zu erkennen und zugleich mit seiner Kamera
festzuhalten verstehen. — Nun ist es selbst-
verständlich eine sehr schwierige, vielfach fast
unerfüllbare Zumutung an das Modell, daß es
sich beim Photographen, unter dem drohenden
Cyklopenauge des photographischen Objektivs,
so geben soll, wie in den besten, vertieftesten
Augenblicken seines Lebens, wie auf den Höhe-
punkten seines persönlichen Daseins. Denn
abgesehen davon, daß solche Augenblicke sich
schließlich nicht ohne weiteres durch bewußten
Entschluß herbeiführen lassen, treten für sehr
viele Menschen gerade beim Photographen Hem-
mungen in Wirksamkeit, die ihnen es erschwe-
ren, sich auch nur frei und unbefangen wie
in ihrem Alltag zu geben.

Noch immer wirkt bei vielen Menschen die
Überlieferung aus den ersten Zeiten der Photo-
graphie nach, daß man beim Photographen vor
allen Dingen stille sitzen müsse, und sehr häufig
wird dann aus dem Stillsitzen ein Steifdasitzen,
womöglich noch mit gezwungener Haltung und
Muskelverzerrungen namentlich auch im Ge-
sichte. Von einer verständnisvollen Unter-
stützung des Photographen durch ein unbefan-
genes Sichgeben ist dann natürlich keine Rede.
Und wo diese schlechte Tradition selbst nicht
mehr wirksam ist, da tritt doch eine gewisse
Befangenheit vor dem photographischen Appa-
rat ein, und das Bewußtsein, photographiert
zu werden, vernichtet in gleicher Weise den
natürlichen, persönlichen Ausdruck.

Wie alle diese Schwierigkeilen trotzdem über-
wunden werden können und wie der künst-
lerisch-zielbewußte und feinempfindende Pho-
tograph dennoch zu persönlichem und seelisch
vertieftem Ausdruck, damit aber zu künstleri-
scher Ähnlichkeit in der Bildnisphotographie
gelangen kann, das zeigen uns die Bildnisse
von Rudolf Dührkoop und seiner Tochter Frau
MinyaDiez-Dührkoop, deren beide Werkstätten
in Berlin und Hamburg nicht nur in der Ge-
schichte der künstlerischen Photographie in
Deutschland eine hervorragende Rolle gespielt
haben, sondern wegen ihrer tatsächlichen, vor-
bildlichen Leistungen noch heute an führender
Stelle bei uns stehen. — Diese beiden Photo-

XX. Dezember 1916. 3
 
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