„Nähe und Ferne".
digen, Absoluten zu
geben. — Und doch
bedarf es nur eines
unbefangenen Blik-
kes über die engsten
Zeit- und Raumgren-
zen, um zu erkennen,
daß es eine realisti-
sche Kunst auch ohne
und gegen die Per-
spektive gibt. Denn
es ist nicht so, daß
der Verzicht auf die
Perspektive zu einer
irrealistischen, deko-
rativen , symboli-
schen usw. Kunst
führe. Gibt es etwas
realistischeres als die
Menschen einesMult-
scher, die Pflanzen
und Tiere Chinas und
Japans? Sie stehen
doch an scharfem
Realismus den Men-
schen, Tieren und
Pflanzen der Moder-
nen bestimmt nicht
nach. Was sie von
diesen unterscheidet,
ist der Umstand, daß
sie aus der Nähe
gesehen sind. —
Geist der Ferne und
Geist der Nähe! Das
sind die beiden Pole
menschlicher Stel-
lungnahme zur Welt.
Geist der Nähe
schließt durchaus kei-
nen Realismus aus,
im Gegenteil; aber
er schließt die Per-
spektive aus. Denn
diese legt ja stets ei-
ne Distanz zwischen
Mensch und Ding.
Zeiten, Menschen,
die dazu neigen, die
fertigen, abgeschlos-
senen Dinge über-
legen aus der Ferne
zu betrachten, kom-
men bei Umsetzung
ihrer Weltanschau-
ung im Kunstgebilde
— also aus Stilgrün-
PROFESSOR JOSEF HOFFMANN. »BLUMENTISCH UND SESSEL«
den! — mit Notwen-
digkeit zur Perspek-
tive. Deshalb ist die
moderne Kunst „ge-
genständlich" gewe-
sen, von Masaccio
bis Manet und seinen
Nachfolgern. Denn
erst aus der Ferne,
der Distanz gesehen,
schließen sich die Er-
scheinungen der Na-
tur zu runden, abge-
schlossenen, benenn-
baren Gegenstän-
den zusammen. —
Der Geist der Nähe
kennt in dieser
Strenge keineGegen-
stände. Er läßt sich
von den Erscheinun-
gen ringsum dicht
einschließen; er ge-
winnt eine gestei-
gerte Lebendigkeit
und Innigkeit, für
welche die fortschie-
bende Perspektive
„ selbstverständlich"
keinAusdrucksmittel
mehr sein kann. —
Und das ist die ein-
zige Selbstverständ-
lichkeit, die es in der
Anwendung der Per-
spektiven- Gesetze
gibt. — Alles ist Stil
— nichts ist Zwang!
£
Die Kunst macht, was
dem kunstfremden
Moralisten zu einem
Ärgernis und dem rohen
verwahrlosten Herzen
zu einem Gegenstand
trüber Sinnenlust wird,
zu einem reinen Seelen-
genuß. Sie führt den
Blick in die Weite der
Welt und in die Tiefe
des eigenen Gemüts
und macht das Herz zu-
gleich bescheiden und
Stolz. . . Heinrich Wolgast.
Der Mensch ist der
höchste, ja der ei-
gentliche Gegenstand
bildender Kunst. Goethe.
digen, Absoluten zu
geben. — Und doch
bedarf es nur eines
unbefangenen Blik-
kes über die engsten
Zeit- und Raumgren-
zen, um zu erkennen,
daß es eine realisti-
sche Kunst auch ohne
und gegen die Per-
spektive gibt. Denn
es ist nicht so, daß
der Verzicht auf die
Perspektive zu einer
irrealistischen, deko-
rativen , symboli-
schen usw. Kunst
führe. Gibt es etwas
realistischeres als die
Menschen einesMult-
scher, die Pflanzen
und Tiere Chinas und
Japans? Sie stehen
doch an scharfem
Realismus den Men-
schen, Tieren und
Pflanzen der Moder-
nen bestimmt nicht
nach. Was sie von
diesen unterscheidet,
ist der Umstand, daß
sie aus der Nähe
gesehen sind. —
Geist der Ferne und
Geist der Nähe! Das
sind die beiden Pole
menschlicher Stel-
lungnahme zur Welt.
Geist der Nähe
schließt durchaus kei-
nen Realismus aus,
im Gegenteil; aber
er schließt die Per-
spektive aus. Denn
diese legt ja stets ei-
ne Distanz zwischen
Mensch und Ding.
Zeiten, Menschen,
die dazu neigen, die
fertigen, abgeschlos-
senen Dinge über-
legen aus der Ferne
zu betrachten, kom-
men bei Umsetzung
ihrer Weltanschau-
ung im Kunstgebilde
— also aus Stilgrün-
PROFESSOR JOSEF HOFFMANN. »BLUMENTISCH UND SESSEL«
den! — mit Notwen-
digkeit zur Perspek-
tive. Deshalb ist die
moderne Kunst „ge-
genständlich" gewe-
sen, von Masaccio
bis Manet und seinen
Nachfolgern. Denn
erst aus der Ferne,
der Distanz gesehen,
schließen sich die Er-
scheinungen der Na-
tur zu runden, abge-
schlossenen, benenn-
baren Gegenstän-
den zusammen. —
Der Geist der Nähe
kennt in dieser
Strenge keineGegen-
stände. Er läßt sich
von den Erscheinun-
gen ringsum dicht
einschließen; er ge-
winnt eine gestei-
gerte Lebendigkeit
und Innigkeit, für
welche die fortschie-
bende Perspektive
„ selbstverständlich"
keinAusdrucksmittel
mehr sein kann. —
Und das ist die ein-
zige Selbstverständ-
lichkeit, die es in der
Anwendung der Per-
spektiven- Gesetze
gibt. — Alles ist Stil
— nichts ist Zwang!
£
Die Kunst macht, was
dem kunstfremden
Moralisten zu einem
Ärgernis und dem rohen
verwahrlosten Herzen
zu einem Gegenstand
trüber Sinnenlust wird,
zu einem reinen Seelen-
genuß. Sie führt den
Blick in die Weite der
Welt und in die Tiefe
des eigenen Gemüts
und macht das Herz zu-
gleich bescheiden und
Stolz. . . Heinrich Wolgast.
Der Mensch ist der
höchste, ja der ei-
gentliche Gegenstand
bildender Kunst. Goethe.