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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 39.1916-1917

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Haendcke, Berthold: Städtische (Provinz-) Sammlungen
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https://doi.org/10.11588/diglit.8535#0318

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Städtische (Provinz-) Sammlungen.

lokalen Kunst eine besonders schwerwiegende.
Die Malerei, Bildhauerei und Architektur findet
in einer Provinzstadt, immer unter Berück-
sichtigung gradueller Unterschiede, nur ein be-
schränkteres Tätigkeitsfeld, das durch die Kon-
kurrenz der großen Haupt- und Weltstädte
noch verkleinert wird; sogar an Ort und Stelle
wird die Ausdehnungsfähigkeit der Künstler
jedesmal dann stärker beschnitten, wenn sich
hier eine staatliche Kunstschule irgendwelcher
Art befindet. Dem Staate muß daran liegen,
daß die von ihm hierhin gesetzten Arbeits-
kräfte möglichst „frisch" bleiben, demzufolge
wird er die Aufgaben, welche er zu vergeben
hat, vorwiegend den beamteten Künstlern zu-
wenden. Der besitzende Bürger in einer solchen
Stadt wird geneigt sein, den staatlich angestell-
ten Künstler wieder als den besseren anzuer-
kennen , und ihn seinerseits vorwiegend be-
schäftigen, um sein Geld möglichst sicher an-
zulegen. Die lokale Kunstpflege kann unter
solchen Umständen überaus leicht dahin aus-
arten, daß entweder eine kleine Zahl behörd-
lich konzessionierter Künstler begünstigt wird,
oder daß unbedeutende lokale Kunstwerke
gekauft werden — oder daß frisch und froh der
„Modernste" berücksichtigt wird. Ob das
immer von Nachteil ist? Gerade die Anfänge
eines großen Künstlers richtig zu erkennen und
zu sammeln, dürfte zu den wichtigsten Aufgaben
eines Sammlungsleiters gehören. An dieser
Stelle eröffnet sich auch dem Bürger als Kunst-
freund ein weites, segenbringendes Feld. Wie-
viel von einem zielbewußten Kunstfreund er-
reicht werden kann, beweisen u. a. die ehe-
malige Schacksche Sammlung oder das Folk-
wang-Museum zu Hagen in Westfalen. Die
Hauptsache muß sein und bleiben, überall
zunächst ein möglichst geschlossenes Bild der
Grundlagen des Ringens und der Ergebnisse
der neuzeitlichen Kunst zu bringen! „Denn
vom Häuslichen gehe aus!" — Sobald ein den
zur Verfügung stehenden Geldmitteln ent-
sprechendes festes Haus gezimmert ist, mag
dann ein zweites für ältere Kunstwerke folgen.
Es ist aber hier nicht zu empfehlen, daß Stadt-
oder Provinzmuseen Geld für Kunstwerke
zweiten oder dritten Grades ausgeben, nur um
Bilder älterer Meister zu besitzen. Der kulturell

wichtige Einfluß der vergangenen künstlerischen
Schaffenszeiten kann und darf nur aus der Arbeit
der richtunggebenden Persönlichkeiten ge-
wonnen werden, fn'allen Fällen wäre es daher
notwendig, daß wenigstens ein Meisterwerk von
der Hand dieser Führer im Reich der bildenden
Künste vorhanden wäre, um welches dann ge-
ringere Künstler gruppiert werden könnten. Es
würde zur Erreichung dieses Zieles notwendig
sein, daß die großen staatlichen Kunstsamm-
lungen von ihren ersten Meisterwerken dauernde
Leihgaben zum mindesten in die bedeutendsten
Stadt- und Provinzmuseen abgeben. Warum
sollen auch in einzelnen großen Sammlungen die
besten alten Meisterwerke im halben Dutzend
vorhanden sein, um in anderen Städten ganz
zu fehlen? Der Kunstwissenschaft halber?
Diese muß und darf umso ruhiger zurücktreten,
als in keinem Museum die Großen unter den
Künstlern allseitig erfaßt werden können. Jede
betonte Zentralisation für Kunstsammlungen
ist der Öffentlichkeit gegenüber vom Übel, und
zeugt meiner Auffassung nach von einem starken
Verkennen der Aufgaben der Museen, wie von
der Kulturentwicklung unseres deutschen Vater-
landes. Die Stadt- und Provinzmuseen müssen
weiterhin, um nicht im Lokalen zu ersticken,
umfangreiche Sammlungen von Griffelarbeiten
aller Art bezw.von mechanischen Nachbildungen
anlegen. Besonderes Interesse dürften heute
bereits die vorzüglichen farbigen Wiedergaben
beanspruchen, welche nach der Erweiterung
der Farbenphotographie zu Auflagedrucken in
vielen Fällen geradezu einen Ersatz für die
Originale bieten werden. Die notgedrungene
Enthaltsamkeit der Stadtmuseen könnte durch
solche und ähnliche Beihilfen in so hohem Grade
ausgeglichen werden, daß sie als Bildungsstätten
inhaltlich größere Werte zu bieten vermöchten,
als es heute mancher kostbaren „Königlichen
Sammlung" möglich ist. —Ich fasse mich dahin
zusammen: Zunächst die engere Heimat in
ihrem ganzen Umfange in Kunstwerken darstel-
len, dann die Kunst der Gegenwart, des heutigen
und des kommenden Tages in Originalwerken
wie Nachbildungen sammeln, und endlich die
künstlerische Vergangenheit der deutschen
Stämme in ihrer Gesamtheit und die der frem-
den Völker repräsentieren......b. hakndcke.

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