Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 39.1916-1917

DOI article:
Westheim, Paul: Die Suggestion der Antiquität
DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.8535#0338

DWork-Logo
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
Die Suggestion der Antiquität.

ERICH BÜTTNER BERLIN.

GEMÄLDE »TANZ IN HERINGSDORF« 1914.

für Dinge, die früher einmal aus Kunstwerk-
stätten hervorgegangen sind, sich zu einer Ra-
serei fast auswachsen konnte. Nicht unerheb-
liche Schuld daran hat die eigenartige Sammel-
tätigkeit unserer Museen, die statt Institute
zum Kunstgenuß und zur künstlerischen Er-
hebung zu Aufbewahrungsstätten von alter
Kunst geworden sind. Der guten alten Kunst,
aber auch, aber fast mehr der alten Kunst
dritten, vierten, fünften, achten, zehnten Ran-
ges, all des Zeugs, das gewiß eine entwicklungs-
geschichtliche, kulturhistorische, philologische
Bedeutung hat, das aber für den Kunstgenuß
ganz ohne Belang ist. Für die Wissenschaft
von der Kunst, für gewisse Spezialforschungen
mag es nicht ganz gleichgültig sein, zu wissen,
daß es im 17. Jahrhundert in Prag einen itali-
sierenden Historienmaler namens Screta oder
in München einen Eklektiker Karl Loth gegeben,
daß am Ende des 19. Jahrhunderts ein Gott-
schall gelebt und gedichtet hat, aber kann für

Menschen, die auf künstlerische Erlebnisse aus
sind, etwas gleichgültiger sein als die Existenz
von derlei Geistern? Das Museum nun, wie
es sich im letzten Jahrhundert entwickelt hat,
gibt solchen Sachen eine lächerliche Importanz,
die in der Folge das große Publikum verleiten
mußte, jeden, auch den unzulänglichsten alten
Schinken als etwas Sakrosantes zu behandeln.
Als Männer wie Tschudi und Lichtwark bei der
Organisation öffentlicher und privater Samm-
lungen vom lebendigen Kunstempfinden aus-
zugehen verlangten, als sie forderten, auch das
Alte auf seinen Gehalt an Menschlichkeit zu
beklopfen, wurde auch das als revolutionär
empfunden. Ja, es begab sich, nachdem doch
bei einigen neueren Sammlern und Museums-
leitern die Richtigkeit dieser Erkenntnis sich
durchzubrechen begann, daß von einem unserer
einflußreichsten Museumsmänner eine Aus-
stellung arrangiert wurde, eine Ausstellung
alter Meister aus privatem Besitz, mit der den
 
Annotationen