Abstrakte Kunst und Ausführung.
hinauszukommen und eine höhere Bildge-
schlossenheit zu gewinnen sei; von ihnen er-
wartet sie Aufschluß über die elementaren
Kräfte jener geheimnisvollen höheren Stufe des
Formseins, das mit dem geistlos oft gebrauchten
Wort „Stil" bezeichnet wird. Die historische
Forschung hatte nichts weiter getan, als eine
Mehrheit von „Stilen" aufzuzeigen, ohne über
deren eigentliches Wesen irgendwelchen Auf-
schluß geben zu können. Daß mit der Nach-
ahmung irgend einer historischen „Stilform"
nichts getan ist, daß dies vielmehr nur der Weg
zu Kostüm und Unwahrhaftigkeit ist, weiß heut
jeder, der ehrlich ist. Daß es mit einem bloßen
Mut oder Willen zum „Eigenstil" nicht getan
ist, weiß heute ebenfalls jeder. Weiter zu
kommen können wir nur hoffen, wenn wir das
Ereignis bei seinen Uranfängen belauschen.
Daß die Künstler dabei auch das Geheimnis
von Negerplastiken und Kinderzeichnungen ins
Gefühl zu bekommen sich bemühen, schelte
man nicht voreilig als Ratlosigkeit oder Sensa-
tionslust. Es ist die einzige Möglichkeit, über
das Bedingte jeder speziellen historischen Stil-
form hinauszukommen, wenn man das Ereignis
der Formgewinnung überall studiert, wo es
auftritt, und am meisten bei seinen Anfängen.
— Wenn wir uns bemüht haben, gegenüber
einem summarischen Vorwurf die wahren Ab-
sichten der neoidealistischen Malerei aufzuzei-
gen, so ist damit natürlich nicht gesagt, daß wir
ebenso summarisch alles loben und gutheißen,
was in ihrem Zeichen in die Erscheinung tritt.
So oft eine Generation neue Wege betritt, ge-
sellen sich Mitläufer dazu, angelockt von dem
Instinkt, daß „hier etwas zu machen" sei,
welche das noch tastende Probieren der neuen
Mittel benutzen, um das eigene Unvermögen
damit zu maskieren. Gerade solche Vertreter
sind dann am lautesten bereit, die ungekonnten
Auslassungen ihrer undisziplinierten Scheinbe-
gabung als die Proben eines neuen, höheren
Könnens anzupreisen. Mit gutem Gewissen
dabei, denn kein Selbstzweifel verhindert sie,
mit ihren Produkten jederzeit zufrieden zu sein.
Für solche Auchkönner sind Beispiele in jeder
historischen Sturm- und Drangperiode anzu-
treffen. Sie sind irgendwie unvermeidlich; man
tröste sich damit über sie, daß der Fortgang
der Entwicklung sie sehr bald ausschaltet, so-
bald aus dem allgemeinen Suchen ein höheres
Können herauswächst. Auch in der neuen Be-
wegung mögen manche mitlaufen, die im Chaos
fischen und denen es einfach an Geduld und
Disziplin fehlen würde, ein Bild im alten Stil
zu Ende zu malen. So wenig wir das leugnen,
so wenig hat das mit dem Sinn der ganzen Be-
wegung irgend etwas zu tun......... k. m.
HENRY NIESTLE—MÜNCHEN. GEMÄLDE »IM GARTEN«
hinauszukommen und eine höhere Bildge-
schlossenheit zu gewinnen sei; von ihnen er-
wartet sie Aufschluß über die elementaren
Kräfte jener geheimnisvollen höheren Stufe des
Formseins, das mit dem geistlos oft gebrauchten
Wort „Stil" bezeichnet wird. Die historische
Forschung hatte nichts weiter getan, als eine
Mehrheit von „Stilen" aufzuzeigen, ohne über
deren eigentliches Wesen irgendwelchen Auf-
schluß geben zu können. Daß mit der Nach-
ahmung irgend einer historischen „Stilform"
nichts getan ist, daß dies vielmehr nur der Weg
zu Kostüm und Unwahrhaftigkeit ist, weiß heut
jeder, der ehrlich ist. Daß es mit einem bloßen
Mut oder Willen zum „Eigenstil" nicht getan
ist, weiß heute ebenfalls jeder. Weiter zu
kommen können wir nur hoffen, wenn wir das
Ereignis bei seinen Uranfängen belauschen.
Daß die Künstler dabei auch das Geheimnis
von Negerplastiken und Kinderzeichnungen ins
Gefühl zu bekommen sich bemühen, schelte
man nicht voreilig als Ratlosigkeit oder Sensa-
tionslust. Es ist die einzige Möglichkeit, über
das Bedingte jeder speziellen historischen Stil-
form hinauszukommen, wenn man das Ereignis
der Formgewinnung überall studiert, wo es
auftritt, und am meisten bei seinen Anfängen.
— Wenn wir uns bemüht haben, gegenüber
einem summarischen Vorwurf die wahren Ab-
sichten der neoidealistischen Malerei aufzuzei-
gen, so ist damit natürlich nicht gesagt, daß wir
ebenso summarisch alles loben und gutheißen,
was in ihrem Zeichen in die Erscheinung tritt.
So oft eine Generation neue Wege betritt, ge-
sellen sich Mitläufer dazu, angelockt von dem
Instinkt, daß „hier etwas zu machen" sei,
welche das noch tastende Probieren der neuen
Mittel benutzen, um das eigene Unvermögen
damit zu maskieren. Gerade solche Vertreter
sind dann am lautesten bereit, die ungekonnten
Auslassungen ihrer undisziplinierten Scheinbe-
gabung als die Proben eines neuen, höheren
Könnens anzupreisen. Mit gutem Gewissen
dabei, denn kein Selbstzweifel verhindert sie,
mit ihren Produkten jederzeit zufrieden zu sein.
Für solche Auchkönner sind Beispiele in jeder
historischen Sturm- und Drangperiode anzu-
treffen. Sie sind irgendwie unvermeidlich; man
tröste sich damit über sie, daß der Fortgang
der Entwicklung sie sehr bald ausschaltet, so-
bald aus dem allgemeinen Suchen ein höheres
Können herauswächst. Auch in der neuen Be-
wegung mögen manche mitlaufen, die im Chaos
fischen und denen es einfach an Geduld und
Disziplin fehlen würde, ein Bild im alten Stil
zu Ende zu malen. So wenig wir das leugnen,
so wenig hat das mit dem Sinn der ganzen Be-
wegung irgend etwas zu tun......... k. m.
HENRY NIESTLE—MÜNCHEN. GEMÄLDE »IM GARTEN«