LENE SCHNEIDER-KAINER.
Lene Schneider-Kainer fand erst im vorigen
_j Jahr die eingehende Beachtung der reichs-
hauptstädtischen Kritik. Sie hatte sich zwar
schon vorher gezeigt, in Wien und auf mehreren
Berliner Sezessions-Ausstellungen. Aber in
Berlin ist ja dem kritischen Spürsinn der ver-
fügbare Raum der Zeitung durch die anerkannten
Namen des Kunstmarktes verlegt. So bot erst
die letzte „juryfreie" Ausstellung Berlins Gele-
genheit zu ihrer Entdeckung. Sodann aber
haben sie gleich mehrere Kritiker als den „Clou"
der Ausstellung kennzeichnen wollen. Das mag
ein wenig bewußte Animosität gegen den männ-
lichen Talentnachwuchs gewesen sein, dem man
ja gar so gern eins auswischt. Trotzdem mußte
Lene Schneider-Kainer doch einige besondere
künstlerische Qualitäten besitzen, wenn man
sie als taugliches Objekt solcher „Politik" aus-
wählte. — Nun ist aber Lene Schneider-Kainer
durchaus nicht mehr Anfängerin mit irgendwel-
chen verblüff endenTalentbeweisen. Ein Blick auf
ihre Bilder zeigt, daß sie schon lang und schwer
arbeitet. Vor Jahren kam sie von Wien nach
München, und ging von da nach Paris. Aber
die Schule, das Museum, die Ateliers der Mit-
strebenden gaben ihr fast keine Anregung,
weckten nicht ihren malerischen Willen. Der
springt nur vor der „wiederzugebenden Wirk-
lichkeit" an. Es interessieren sie sichtlich keine
übertragenen, ästhetischen Probleme, sondern
nur unmittelbare, vor allem: die Farbe. Ihre
Bilder verraten eine hinreichend differenzierte
Künstlernatur, man merkt, sie ist beweglich,
fähig, unpedantisch- schweifend , von feinem
weiblichen Geschmack, lyrisch und rhythmisch,
zugleich von ehrgeizigster Energie, von beträcht-
XX. März 1917, 3
Lene Schneider-Kainer fand erst im vorigen
_j Jahr die eingehende Beachtung der reichs-
hauptstädtischen Kritik. Sie hatte sich zwar
schon vorher gezeigt, in Wien und auf mehreren
Berliner Sezessions-Ausstellungen. Aber in
Berlin ist ja dem kritischen Spürsinn der ver-
fügbare Raum der Zeitung durch die anerkannten
Namen des Kunstmarktes verlegt. So bot erst
die letzte „juryfreie" Ausstellung Berlins Gele-
genheit zu ihrer Entdeckung. Sodann aber
haben sie gleich mehrere Kritiker als den „Clou"
der Ausstellung kennzeichnen wollen. Das mag
ein wenig bewußte Animosität gegen den männ-
lichen Talentnachwuchs gewesen sein, dem man
ja gar so gern eins auswischt. Trotzdem mußte
Lene Schneider-Kainer doch einige besondere
künstlerische Qualitäten besitzen, wenn man
sie als taugliches Objekt solcher „Politik" aus-
wählte. — Nun ist aber Lene Schneider-Kainer
durchaus nicht mehr Anfängerin mit irgendwel-
chen verblüff endenTalentbeweisen. Ein Blick auf
ihre Bilder zeigt, daß sie schon lang und schwer
arbeitet. Vor Jahren kam sie von Wien nach
München, und ging von da nach Paris. Aber
die Schule, das Museum, die Ateliers der Mit-
strebenden gaben ihr fast keine Anregung,
weckten nicht ihren malerischen Willen. Der
springt nur vor der „wiederzugebenden Wirk-
lichkeit" an. Es interessieren sie sichtlich keine
übertragenen, ästhetischen Probleme, sondern
nur unmittelbare, vor allem: die Farbe. Ihre
Bilder verraten eine hinreichend differenzierte
Künstlernatur, man merkt, sie ist beweglich,
fähig, unpedantisch- schweifend , von feinem
weiblichen Geschmack, lyrisch und rhythmisch,
zugleich von ehrgeizigster Energie, von beträcht-
XX. März 1917, 3