Unterhaltung über photographische Bilder.
keinen Fehler zu haben. Der Mensch muß es
im Leben wie im Bild so zu halten wissen, daß
man sich in seine Fehler verlieben könnte!
So also möchte ich in der Photographie aus-
sehen, wie ich mich im Spiegel sehe. Wie in
einem Selbsiporträts. — Man sehe sich doch
die Selbstporträts der Künstler an! Das Selbst-
bildnis des Künstlerphotographen zeigt ihn so,
wie er sich sieht, im eigenen Spiegelbild. Die
Summe seines ganzen Bewußtseinsinhalts ist
eine subjektive Kunst, wie die Lyrik; etwas,
das dem Künstler meistens am ersten und am
besten gelingt. Die photographische Linse sieht
nur mit der mechanisch-physikalischen Optik
und enttäuscht darum so oft. Das Künstler-
auge sieht mit der psychischen Optik, indem
es verborgene Möglichkeiten wahrnimmt, die
aber nicht selten von der Kamera unterschlagen
werden. Man muß die Kamera überlisten. Sie
so in Einklang mit dem psychischen Auge
bringen, daß sie das Gewollte herausbringt.
Wie im Selbstporträt. Darum ist hier dem
Künstler das Problem immer neu, nicht nur
von seiner Kamera aus, sondern auch von der
Psyche seines Modells aus zu lösen. Er muß
sich in die Seele des Modells verwandeln
können, wie der epische und dramatischeDichter
in die Seele der handelnden Personen. Er
muß mich durch das Medium der Kamera so
zeigen können, wie ich mich selbst sehe in
meinem Spiegel. Dann sagt das Bild erst von
mir aus, von meinen inneren Ähnlichkeiten,
und ebensosehr von dem Künstler, von seinem
Genius. — Unsere persönliche Wirkung beruht
auf Suggestion. Wir treiben Magie, ohne es
zu wissen. Der Künstler weiß es. Schließlich
ist alle Kunst Magie. Er versucht es im Stil-
vollen, im Dekorativen, in den kunstgewerb-
lichen Imperativen seiner Zeit, er geht auf den
Spuren btrühmter Porträtmaler, aber in allen
diesen Äußerlichkeiten liegt nicht das Wesent-
liche. Es liegt in den suggestiven Momenten.
Sie ruhen in der Persönlichkeit, in der Psyche,
oft in den sichtbaren „Fehlern", die unsere
besondere Art von Schönheit ausmachen
können, das Charakteristische, das „Interes-
sante". Nicht indem man sie verbirgt, diese
„ Fehler ", sondern künstlerisch betont, stilisiert,
seelisch adelt. „Schön wird häßlich, häßlich
schön." Man fürchtet das Bedeutungslose wie
die Sünde. Wogegen man die Sünde liebt,
oder wenigstens so tut als ob, weil sie das
„Dämonische" ist, die beliebte Pose von heute.
Man wird Sphinx — wenn auch ohne Rätsel.
Oder Monna Lisa. Monna Vanna. Oder Me-
phisto, weil jeder ein wenig im Leib auch den
Teufel spürt, wenn auch nichts dahinter steckt
als ein kleiner Egoist mit Fettgesicht und all-
täglichen Lastern. Oder Snob, der immer ver-
kappter Philister ist. Aber die eigentliche Sünde
wider den Geist, die in der Kunst nie verziehen
wird, heißt Langeweile.
Unter der Herrschaft der Schablone und der
Methoden, wo selbst die Gedanken die Uniform
anlegen, flüchtet die Persönlichkeit in die Kunst,
in die Frauenmode, vor den Spiegel, in die
Künstlerphotographie, um sich selber Mut zu
machen und den Späteren zu zeigen, daß auch
wir Originalität und Phantasie gehabt haben,
die immer nur in der viel geschmähten, ver-
leugneten, kritisierten, gefürchteten, verhaßten,
vor allem aber unentbehrlichen, immer wieder
nachgeahmten Persönlichkeit liegen. Sie will
sich unterscheiden, wird erfinderisch, schöpfe-
risch und hat unbegrenzte Möglichkeiten, sich
zu offenbaren. Eine davon ist die Bildnis-
photographie............ joseph aug. lux.
£
VON DER FREIHEIT DES KÜNSTLERS.
Der Gewissenhafte wird Sklave des Scheins.
Je genauer er die Züge der Welt abzu-
lesen sich bestrebt, desto leerer und unver-
ständlicherwerden sie ihm. Er wird zum Schüler,
der die Handschrift kopiert, die er noch nicht
entziffern darf. Da hilft kein Zorn, kein Eifer,
keine Verzweiflung. Und wenn du deine Hände
grausam drillst, bis sie jede Falle, jede Runzel
im Weltenantlitz aufspüren und „treffen", diese
Zeichen verraten dir nichts, sie werden dir
unter dem Griffel leer und häßlich — das Unver-
standene sklavisch nachahmen heißt stets fäl-
schen und verderben. Nur die freie Gestaltung
deutet richtig. Erkenntnis und Anschauung, viel-
leicht ein und dasselbe, nur in Freiheit möglich, j.
£
DUNKEL. Im Dunkel schlummern die Gestal-
ten, ungeboren. Das Auge sucht, tastet die
Möglichkeiten ab. Lebendig ist das Dunkel trotz
alledem, strotzend voll von Bildern und Formen,
die wir nur ahnen. Da tanzen die Träume und
Gesichte, schemenhaft, Nichtse, Wünsche nur
nach Sein und Namen. Gott, welches Schwel-
gen in kühnsten Andeutungen, welche über-
quellende Fülle! Das Dunkel ist schwer und
reich und tausendmal fruchtbarer als das Licht.
Licht gebiert die Gestaltungen, es weckt zum
wirklichen Sein, aber es tötet zugleich alle die
andern Formkeime außer dem einen, den es
gelten läßt. Es scheucht die Träume und reißt
ihnen den dünnen Lebensfaden entzwei. Wie
geplatzte Seifenblasen fallen sie zusammen.
Wir können nicht leben ohne die Gewißheiten
des Lichts, aber es ist arm, wie Sehen ärmer
ist als Ahnen............ anton jaumann.
keinen Fehler zu haben. Der Mensch muß es
im Leben wie im Bild so zu halten wissen, daß
man sich in seine Fehler verlieben könnte!
So also möchte ich in der Photographie aus-
sehen, wie ich mich im Spiegel sehe. Wie in
einem Selbsiporträts. — Man sehe sich doch
die Selbstporträts der Künstler an! Das Selbst-
bildnis des Künstlerphotographen zeigt ihn so,
wie er sich sieht, im eigenen Spiegelbild. Die
Summe seines ganzen Bewußtseinsinhalts ist
eine subjektive Kunst, wie die Lyrik; etwas,
das dem Künstler meistens am ersten und am
besten gelingt. Die photographische Linse sieht
nur mit der mechanisch-physikalischen Optik
und enttäuscht darum so oft. Das Künstler-
auge sieht mit der psychischen Optik, indem
es verborgene Möglichkeiten wahrnimmt, die
aber nicht selten von der Kamera unterschlagen
werden. Man muß die Kamera überlisten. Sie
so in Einklang mit dem psychischen Auge
bringen, daß sie das Gewollte herausbringt.
Wie im Selbstporträt. Darum ist hier dem
Künstler das Problem immer neu, nicht nur
von seiner Kamera aus, sondern auch von der
Psyche seines Modells aus zu lösen. Er muß
sich in die Seele des Modells verwandeln
können, wie der epische und dramatischeDichter
in die Seele der handelnden Personen. Er
muß mich durch das Medium der Kamera so
zeigen können, wie ich mich selbst sehe in
meinem Spiegel. Dann sagt das Bild erst von
mir aus, von meinen inneren Ähnlichkeiten,
und ebensosehr von dem Künstler, von seinem
Genius. — Unsere persönliche Wirkung beruht
auf Suggestion. Wir treiben Magie, ohne es
zu wissen. Der Künstler weiß es. Schließlich
ist alle Kunst Magie. Er versucht es im Stil-
vollen, im Dekorativen, in den kunstgewerb-
lichen Imperativen seiner Zeit, er geht auf den
Spuren btrühmter Porträtmaler, aber in allen
diesen Äußerlichkeiten liegt nicht das Wesent-
liche. Es liegt in den suggestiven Momenten.
Sie ruhen in der Persönlichkeit, in der Psyche,
oft in den sichtbaren „Fehlern", die unsere
besondere Art von Schönheit ausmachen
können, das Charakteristische, das „Interes-
sante". Nicht indem man sie verbirgt, diese
„ Fehler ", sondern künstlerisch betont, stilisiert,
seelisch adelt. „Schön wird häßlich, häßlich
schön." Man fürchtet das Bedeutungslose wie
die Sünde. Wogegen man die Sünde liebt,
oder wenigstens so tut als ob, weil sie das
„Dämonische" ist, die beliebte Pose von heute.
Man wird Sphinx — wenn auch ohne Rätsel.
Oder Monna Lisa. Monna Vanna. Oder Me-
phisto, weil jeder ein wenig im Leib auch den
Teufel spürt, wenn auch nichts dahinter steckt
als ein kleiner Egoist mit Fettgesicht und all-
täglichen Lastern. Oder Snob, der immer ver-
kappter Philister ist. Aber die eigentliche Sünde
wider den Geist, die in der Kunst nie verziehen
wird, heißt Langeweile.
Unter der Herrschaft der Schablone und der
Methoden, wo selbst die Gedanken die Uniform
anlegen, flüchtet die Persönlichkeit in die Kunst,
in die Frauenmode, vor den Spiegel, in die
Künstlerphotographie, um sich selber Mut zu
machen und den Späteren zu zeigen, daß auch
wir Originalität und Phantasie gehabt haben,
die immer nur in der viel geschmähten, ver-
leugneten, kritisierten, gefürchteten, verhaßten,
vor allem aber unentbehrlichen, immer wieder
nachgeahmten Persönlichkeit liegen. Sie will
sich unterscheiden, wird erfinderisch, schöpfe-
risch und hat unbegrenzte Möglichkeiten, sich
zu offenbaren. Eine davon ist die Bildnis-
photographie............ joseph aug. lux.
£
VON DER FREIHEIT DES KÜNSTLERS.
Der Gewissenhafte wird Sklave des Scheins.
Je genauer er die Züge der Welt abzu-
lesen sich bestrebt, desto leerer und unver-
ständlicherwerden sie ihm. Er wird zum Schüler,
der die Handschrift kopiert, die er noch nicht
entziffern darf. Da hilft kein Zorn, kein Eifer,
keine Verzweiflung. Und wenn du deine Hände
grausam drillst, bis sie jede Falle, jede Runzel
im Weltenantlitz aufspüren und „treffen", diese
Zeichen verraten dir nichts, sie werden dir
unter dem Griffel leer und häßlich — das Unver-
standene sklavisch nachahmen heißt stets fäl-
schen und verderben. Nur die freie Gestaltung
deutet richtig. Erkenntnis und Anschauung, viel-
leicht ein und dasselbe, nur in Freiheit möglich, j.
£
DUNKEL. Im Dunkel schlummern die Gestal-
ten, ungeboren. Das Auge sucht, tastet die
Möglichkeiten ab. Lebendig ist das Dunkel trotz
alledem, strotzend voll von Bildern und Formen,
die wir nur ahnen. Da tanzen die Träume und
Gesichte, schemenhaft, Nichtse, Wünsche nur
nach Sein und Namen. Gott, welches Schwel-
gen in kühnsten Andeutungen, welche über-
quellende Fülle! Das Dunkel ist schwer und
reich und tausendmal fruchtbarer als das Licht.
Licht gebiert die Gestaltungen, es weckt zum
wirklichen Sein, aber es tötet zugleich alle die
andern Formkeime außer dem einen, den es
gelten läßt. Es scheucht die Träume und reißt
ihnen den dünnen Lebensfaden entzwei. Wie
geplatzte Seifenblasen fallen sie zusammen.
Wir können nicht leben ohne die Gewißheiten
des Lichts, aber es ist arm, wie Sehen ärmer
ist als Ahnen............ anton jaumann.