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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 43.1918-1919

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Kurth, W.: Neue Stickereien von Erich Büttner und Elsa Hoffmann
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https://doi.org/10.11588/diglit.9119#0122

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Neue Stickereien von Erich Büttner und Elsa Hof/mann.

E. BUTTNER u. ELSA HOKFMANN. STICKEREI »MORGEN« BES: AVELLIS.

Stickerei sind, gibt ihnen die beglückende Hei-
terkeit eines Kinderspiels. Wille und Wunsch
verbinden sich hier so harmonisch, daß die
Anregung des Entwurfs von Büttner von dem
Verlangen nach Um- und Ausgestaltung von
Elsa Hoffmann kaum zu trennen ist.

Man kennt aus dem Mal- und Graphikwerk
von Erich Büttner, daß die Phantasie dieses
Künstlers sich nicht in die symbolischen Figuren
von Allgemeingefühlen einsperren läßt, daß
Empfindung und Erfindung sich nicht abstoßen
müssen. Mag man seinen poetischen Grund-
ton illustrativ nennen, befreiend wirkt er da-
durch, daß er nicht der bloße Nachklang von
allgemeinen Ideen, sondern eben der Vorklang,
der Grundton von reichen, individuellen Er-
scheinungen ist, die er als übergreifender Stim-
mungswert vereinheitlicht. In froher Unbedenk-
lichkeit mischt sich Wahrheit und Dichtung,
Situation und Symbol. Den mageren Linien einer
Winterlandschaft in gegenständlichen Verhält-
nissen steht das Symbol der Marienglorie im
„Winter" (Abb. S. 106) gegenüber als die Erfül-
lung einer melancholischen Sehnsucht. Während
die satte Reife des Überflusses im „Herbst" ohne
Gegensatz das ganze Ensemble beherrscht und
die vollen Körperkurven des jungen Bacchus,
wie den überwuchernden Reichtum der Blätter
und Ranken gleicherweise schwellen läßt. Mehr
als eine allgemeine Tonart in wenigen skizzie-
renden Strichen bildet die Vorlage nicht, die
Büttner der Stickerin übergibt. Nach beiden

Seiten hat das sein Gutes. Daß der anregende
Entwerfer nicht der Ausführende ist, verhindert,
daß nicht der ornamentale Geschmack einer
banalen Stilistenkunst sich an diese Einfälle
macht, um sie „materialgerecht zu übersetzen",
wie ein flacher kunstgewerblicher Geschmack
es bezeichnen würde. Nur zu oft haben die
Künstler den Übergang eigener Arbeiten von der
Malerei zu einer kunstgewerblichen Technik
durch das ärmliche Stilisieren zu geben geglaubt
und sind dem Zwang des anderen Materials
erlegen. Andererseits gewährt der bloß um-
rissene Entwurf der Stickerin ihr eignes Recht
und eigne Freiheit, die von jeder realistischen
Situation und Dimension entrückten Dinge mit
ihren Formen und Farben zu objektivieren.
Gerade daß die entwerfende Anregung des
Zeichners die Dinge nicht materialisiert, er-
laubt der ausführenden Stickerin das primäre
Empfinden einer neuen Schöpfung und nicht
nur einer materialgerechten Übersetzung. Bei
ihr kann es liegen, einem Entwurf, der durch
FigurendimensionenleichtinKonkurrenzmitden
engeren Wirklichkeitseindrücken desTafelbildes
treten könnte, wie der „Herbst" (Abb.S. 114),
durch den reinen Gefühlsklang der Farben die
weite Distanz jedes Naturvergleichs zu sichern,
wie es auch bei dieser Arbeit gelungen ist.
Gewiß kann man kaum den Ausdruck umgehen,
daß die Stickerin in ihrem Material denkt.
Doch ist dies nicht technisch aufzufassen, daß
sie Fadenlagerungen empfindet oder andere
 
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