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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 61.1927-1928

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Eulenberg, Herbert: Das neue Düsseldorf
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Roessler, Arthur: Das "gute" Alte und das "schlimme" Neue
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https://doi.org/10.11588/diglit.9249#0099

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Das neue Düsseldorf

sein müßte, zur Aufbewahrung und Ausstellung
von Gemälden und sonstigen Kunstwerken viel
zu dunkel und denkbar ungeeignet sein. Ganz
schlimme Beurteiler behaupten sogar, daß in-
folge der flachen Dächer und des wahrhaftig
nie knappen niederrheinischen Regens bereits
der Schwamm in die Gebäude eingezogen sei.

Es wäre höchst beklagenswert, wenn diese
Schwarzmaler, die nach dem Weggang von Kreis
sich wie die Raben im Winter breit machen,
Recht behalten würden. Denn die Stadt, die
bereits draußen im Norden ein Kunstakademie-
gebäude besitzt, das lucus a non lucendo seine
Bestimmung verfehlt hat, kann sich kaum den
Überfluß leisten, fortwährend riesige Gebäude
an hervorragender Stelle hinzupflanzen, die her-
nach nicht das verwirklichen können, wozu sie
aus dem Boden geholt worden sind. Der frühere
Oberbürgermeister der Stadt in den wilhelmini-
schen Zeiten, dem zu Ehren das Hochhaus
gegenüber dem neuerdings von dem tüchtigen

Fahrenkamp „auf neu renovierten" Breiden-
bacher Hof seinen Namen trägt, soll, wenn er
im Sommer seine Stadtverordneten entließ, stän-
dig zu ihrer Vertröstung gesagt haben: „Jenen
Se still nach Haus, meine Herren! Nach dä
Ferien sieht sich dat immer alles anders an!"
Auch das jetzige frische Oberhaupt Düsseldorfs
ist beherzt und stark genug, es mit einer Geg-
nerschaft in künstlerischen Dingen aufzunehmen
und hat eine Götz von Berlichingen'sche Ge-
lassenheit gegen seine persönlichen Feinde.

Vertrauen wir also bei der weiteren Aus-
gestaltung der Stadt, die nach der Erbauung
des neuen Rathauses sich vor allem nach
Norden ausdehnen wird, auf den guten Stern
Düsseldorfs. Eingedenk der Worte, die Peter
Behrens grollend beim Scheiden von Düssel-
dorf gesprochen haben soll: „Dieser Heinrich
Heine hat Recht: Die Stadt ist so schön,
daß sie wohl keiner trotz heftigster Be-
mühungen ganz wird vermurksen können!" —

DAS „GUTE" ALTE UND DAS „SCHLIMME" NEUE

Die angeblichen Kunstfreunde, die unbe-
dingte Lobpreiser des „Alten" und Wider-
sacher des „Neuen" sind, die nimmer müde
werden, das oft vernommene Loblied auf das
gute und schöne Alte anzustimmen, die darin
das einzige sehen, was Seele, Gemüt, Stim-
mung, Schönheit, kurzum Kunstwert besitze,
also Vorzüge aufweise, die ihrer Meinung nach
dem modernen Kunstschaffen mangeln, mögen
die nachstehenden Sätze einmal überdenken:

1. Alles Alte war irgendwann einmal neu,
modern, aufrührerisch, unerhört, erregte Wider-
spruch, stieß auf Widerstand.

2. Viel von dem heute kritiklos geschätzten
Alten, war schon damals als es noch neu war
weder gut noch schön, kann daher auch durch
das Alter nicht gut und schön geworden sein.
Eine Tatsache, die durch den in erschreckenden
Mengen vorhandenen alten Kitsch zur Genüge
erwiesen erscheint.

3. Viel von dem uns überlieferten Alten war
dagegen von Anbeginn gut und ist es deshalb
auch heute noch. Zu allen Zeiten suchten die
Menschen das Gute und Schöne, und wenn sie
es in irgendeiner Form fanden, schätzten und
schützten sie es, darauf bedächt, es ihren Nach-
kommen zu vererben.

4. Mit dem in der Gegenwart entstehenden
Guten verhält es sich ebenso; es wird, weil es
gut ist, auch von den Geschlechtern späterer
Zeiten gewürdigt, gesammelt, gehütet und ge-
liebt werden. Dasjenige Neue hingegen, das

nur modisch ist, wird zum Abfall des Kunst-
und Kulturtrödels geworfen werden.

5. Darf das, was der Technik ohne Einschrän-
kung erlaubt ist, der Kunst verweigert werden:
unbegrenzte Entwicklungsmöglichkeit? Die
Menschen würden heute noch in Felshöhlen,
Baumrindenhütten oder Pfahlbauten hausen,
wenn sie in starrem Konservativismus alles An-
dersartige, Neue, Bessere abgelehnt hätten.

6. Wir kennen den Wechsel der vorgeschicht-
lichen Stile nicht, aber den Ablauf der geschicht-
lichen Stile kennen wir gut genug, um zu wissen,
daß einer dem andern mit gesetzmäßiger Zwangs-
läufigkeit weichen mußte. Auf den letzten histo-
rischen Stil, das Biedermeier, folgte eine Zeit-
spanne künstlerischer Brache und dieser eine
Periode von sterilem Eklektizismus. Darauf
folgte das Chaos unserer Moderne, aus dem
sich jedoch schließlich ein noch ungenannter,
unbekannter, ja kaum geahnter Stil von großer
Schönheit herausgestalten wird.

7. Törichtes Beginnen wäre es daher, wenn
man versuchen wollte, das Werden dieses neuen
Stils zu verhindern. Nicht minder unsinnig wäre
es aber auch, wollte man ihn „machen". Jeder
Stil, Lebens- wie Kunststil, wächst aus Tiefen
des Geistes und Gemütes der Völker; aus Tiefen
wo es von geheimnisvollen Mächten dunkel
rauscht, die den Menschen erst dann glaubhaft
werden, wenn sie sich in den Werken der Form-
gestalter, die wahrhaft schöpferische Künstler
sind, eindrucksgewaltig kundgeben.
 
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