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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 67.1930-1931

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Pfisterer, Kurt: Deutsche Kunst im Münchener Glaspalast
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https://doi.org/10.11588/diglit.7202#0010

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Deutsche Kunst im Münchner Glaspalast

Stellung zu vermitteln, das eine und andere
Werk, das gewisse symptomatische Geltung
beansprucht, namhaft zu machen. Es liegt dabei
in den Tendenzen dieser Zeitschrift, deren Ziele
vorwiegend der Förderung der jungen und
werdenden Künstlergeneration gilt, begründet,
wenn in diesem Zusammenhang mit besonderem
Nachdruck auf das Schaffen der jungen Be-
gabungen hingewiesen wird.

Die Secession hat ihrem im vergangenen Jahr
verstorbenen Präsidenten Hugo von Haber-
mann eine Ehrenschau gerüstet, die mit Recht
vorwiegend die ältere Epoche seines Schaffens
berücksichtigt, deren dunkeltonige gestufte Har-
monien noch mit den besten Traditionen des
Leibi- und Trübnerkreises organisch zusam-
menhängen. Der Ehrensaal des Oktogons ist
Liebermann und Slevogt eingeräumt, die
mit älteren und neueren Werken — Lieber-
mann ist u. a. mit einem magistralen Selbstbild-
nis, Slevogt mit mehreren köstlichen Pfalzland-
schaften und einem interessanten frühen Garten-
bild vertreten — sehr eindrücklich repräsentiert
sind. Es schließen sich — um die zusammen-
hängenden Sonderausstellungen zu erwähnen
— gewählte zeichnerische Kollektio-
nen von Ernst Barlach, Käte Kollwitz, Ludwig
Dettmann, Max Feldbauer, Th. Th. Heine,
Gulbransson, Karl Arnold, Beckmann, Eberz,
Wilhelm Schulz, Schinnerer, Meid und Kubin
an. In einem weiteren Ehrensaal wird Noldes
malerisches Werk (mit Landschaften, Stilleben
und Figurenbildern) dargeboten, eine kleinere
Kollektion erinnert an den kultivierten, zu früh
verstorbenen Österreicher Anton Faistauer.
Auch des Jubiläums Raphael Schuster-Wo 1-
dans, des Porträtisten zahlreicher Kreise der
Berliner Gesellschaft, wird mit einer umfassen-
den Kollektion gedacht.

Die Berliner Produktion ist auch im übrigen
weitschichtig und charakteristisch vertreten:
Lesser Ury zeigt ausgezeichnete Bilder aus den
achtziger Jahren, Hübner, Spiro, Charlotte
Behrend, Orlik, E. R. Weiß, Jaeckel, Fritz Rhein,
L. v. König, Klossowski, Rößner haben kenn-
zeichnende Arbeiten geschickt, Purrmann,
Fritsch und Max Pechstein sind durch beson-
ders eindrückliche und gewählte Beispiele reprä-
sentiert, während Karl Hofer keine sehr glück-
liche Auswahl getroffen hat. Von dem virtuosen
Gert Wollheim, der sich in vielen Verwand-
lungen und Masken gefällt, und aus dem Kreis
der jüngeren Generation wie Kirchner, Heckel,
Rudolf Großmann, Röhricht, Breinlinger sieht
man charakteristische Bilder.

Die österreichische Produktion wird, von
dem schon erwähnten Faistauer abgesehen,

durch Arbeiten von Kitt, Koller, Pauser,
Dobrowsky und Ernst Huber zutreffend, wenn
auch nicht ausreichend repräsentiert. Ko-
koschka hat einige neue farbig und rhythmisch
ungewöhnlich suggestive Bilder, Motive aus der
Schweiz und Ägypten, geschickt, der Grazer
Wilhelm Thöny, eine der wesentlichsten Be-
gabungen der gesamtdeutschen heute malenden
Generation, ist u. a. durch eine meisterliche
Ansicht der Stadt Paris vertreten.

Das differenzierte Kunstschaffen der deut-
schen Landschaften und Städte, das Anlaß zu
eingehender Interpretation geben könnte, wird
in zahlreichen interessanten Beispielen ver-
gegenwärtigt. Wir müssen uns auf einige
wichtige Namen beschränken, die eine gewisse
typische Geltung beanspruchen können. Man
sieht u. a. gewählte Arbeiten des (heute in Köln
wirkenden) Hamburgers Ahlers-Hester-
mann, des Mannheimers Xaver Fuhr, der
Karlsruher Haueisen, Dillinger, Goebel, Bühler
und Württemberger, der Stuttgarter Pankok,
Altherr und Nägele. Der „Holzfällerund Maler"
Dietrich hat einige reizvolle Veduten vom
Bodensee, Richard Seewald (Köln) ein offen-
bar auf freskale Wirkung berechnetes, durch
naive Innigkeit der Empfindung überzeugendes
Triptychon geschickt. Die plakathaft dekora-
tiven Alpenbilder Kanoldts (Breslau) über-
zeugen, zumal im Hinblick auf die anspruchs-
volle Monumentalität ihrerFormate, keineswegs.
Die starre Maske, die Max Beckmann um
Landschaft und Menschen legt, übt durch harte,
unnuancierte Konturen und bunte Farbflächen
eine gewisse hypnotische Suggestion aus, die
etwa der knalligen Stimmung des Panoptikums
und der Jazzmusik entspricht.

Auch das Münchner Kunstschaffen kann
nur in einigen beispielhaften Erscheinungen ge-
würdigt werden. Aus dem Kreis der älteren
Generation seien die Arbeiten von Steppes,
Bolgiano, Geigenberger, Samberger, Gerhar-
dinger, Zügel, Naager, Rausch, Erler, Benno
Becker, Groeber und Jank genannt. Die um
die „Neue Secession" sich gruppierende
jüngere Generation ist mit zahlreichen kenn-
zeichnenden Dokumenten vertreten, unter
denen ein für die Kapelle der Münchner Der-
matologischen Klinik geschaffenes rhythmisch
und koloristisch geistreiches Altartriptychon
von Martin Lauterburg, die sensiblen Land-
schaften Glettes, die klargebauten ländlichen
Kompositionen Hugo Troendles, die innigen
Veduten Schrimpfs, die malerisch intensiven
Figurenbilder und Landschaften von Julius Heß,
die stimmungsstarken nächtlichen Stadtbilder
Lichtenbergers, die farbig akzentuierten

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