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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 67.1930-1931

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Eulenberg, Herbert: Kollegialität unter Künstlern
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https://doi.org/10.11588/diglit.7202#0024

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Kollegialität unter Künstlern

prof. eugen spiro—berlin

»lektüre im bett«

vorher eingenommen hatte, eine richtige Ge-
dächtnisstörung. Nur der tüchtigen alten Ein-
bläserin unten in ihrem Kasten hatte er es zu
verdanken, daß er nach einer kleinen Pause
wieder flott wurde und sich in seiner Rolle
erneut zurecht fand. Am Ende der Aufführung
hob und zog Mitterwurzer nun das alte Frauchen
auf die weltbedeutenden Bretter, um sie an dem
lauten Beifall der Zuschauer teilnehmen zu
lassen. Wobei er zur Begründung seines abson-
derlichen Vorgehens meinte: „Die Alte gehört
heute Abend ebenso gut zur Kunst wie ich."

Der Schriftsteller Börne schimpfte wieder ein-
mal nach seiner Gewohnheit über den Dichter
Goethe. Es war in einem Gespräch, das er
mit Heinrich Heine führte. Und die Rede kam
auf das angebliche Freundschaftsverhältnis
zwischen Goethe und Schiller, das Börne nicht
genug herunterreißen konnte: „Ach was,
Freundschaft zwischen diesen beiden! Alles
Fabel! Man findet keinen einzigen Herzenston
in dem ganzen langen langweiligen Briefwechsel
des sogenannten unsterblichen Dichterpaars.

Nicht einmal zum brüderlichen „Du" sind die
beiden in ihrer zehnjährigen sagenhaf tenFreund-
schaft gekommen."

„Ich weiß nicht, lieber Doktor Börne",
äußerte Heine hiergegen, „ob die Anrede
„Du" zwei Menschen grade besonders eng ver-
bindet. Ich glaube, Sie irren in diesem Fall.
In der „Sie-Form", mit der man miteinander
verkehrt, kann man ebenso bösartig wie auch
herzlich und kameradschaftlich zusammen
werden wie mit dem brüderlichen „Du".

Sehen Sie, da verbrachte ich vor kurzem
mit meinem Hamburger Verleger Campe einen
vergnügten Abend, an dem er es mir sehr nahe
legte, mit ihm Brüderschaft zu trinken. Als
er schließlich dringlicher wurde, erklärte ich
ihm, — es war schon in ziemlich vorgerückter
Stunde — : „Lieber Campe! Lassen wir es wie
bisher zwischen uns beim „Sie"! Es ist mir
offen gestanden viel sympathischer, ich denke
auch in Zukunft von Ihnen: „Sie Gauner"!
als: „Du Gauner"! Und das hat er als ver-
nünftiger Verleger auch eingesehen." . . h.e.

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