napoleon e
martinuzzi
»relief
am posi-
ge bäude
ferrara«
ZU DEN PLASTIKEN VON MARTINUZZI
Auf den letztenVenezianer Kunstausstellungen
i ist wiederholt der Bildhauer Napoleone
Martinuzzi aufgetreten. Er arbeitet in Murano.
Die hier abgebildeten Stücke sind teils freie
Plastik, teils stehen sie in architektonischem
Zusammenhang (Denkmal der Kriegsgefallenen
in Murano, Postgebäude in Ferrara). Man kann
bemerken, daß Martinuzzis Ausdrucksstil sich
ändert, wenn er vom freien plastischen Werk
zur Bauplastik hinübergeht. Der männliche Akt
„Ruhender" geht mit präzisem Naturstudium
den Formen nach, hat eine bewegte, licht-
fangende Oberfläche, deutet auf Zusammen-
hänge mit der Gestaltungs- und Pointierungs-
weise des Impressionismus. Die Bauplastiken
drücken sich demgegenüber offensichtlich in
„gebundener Rede" aus — und man kann das
genau so verstehen, wie es in der Dichtung
verstanden wird, wenn von „gebundener" im
Gegensatz zu „freier" Rede gesprochen wird:
der Rhythmus tritt als Versmaß, als Reim auf,
die gebundenen Räume, die der Architekt dem
Plastiker für sein Werk überläßt (Kassetten,
Felder), fügen ein weiteres stilgebendes Element
hinzu. Die rhythmische Prosa der Freiplastik
verwandelt sich in lyrisches Gedicht. Bei den
„Nymphen", bei dem „Po", bei dem „Phaethon"
fassen sich die Formen straff zusammen und
treten unter die Herrschaft geistiger und formaler
Zwänge. In der Komposition erwacht eine wohl-
lautende lineare Fügung, die Oberfläche glättet
und härtet sich. Es ergibt sich das Bild einer
Kunst, die von einem glücklichen, harmonischen
Naturell, von einem klaren männlichen Ernste
getragen ist. Man sieht die Linien ruhevoll aus-
schwingen. Die Formen stehen in einer Stille.
Der Geist der Plastik wird hier (abgesehen
von dem ersten, mehr illustrativen Relief) gefaßt
als ein Geist des ruhenden Lebens, des erfüll-
ten, klaren Seins, das sich selbst genügt, h. r.
41
XXXIV. Oktober l'JSO. 5
martinuzzi
»relief
am posi-
ge bäude
ferrara«
ZU DEN PLASTIKEN VON MARTINUZZI
Auf den letztenVenezianer Kunstausstellungen
i ist wiederholt der Bildhauer Napoleone
Martinuzzi aufgetreten. Er arbeitet in Murano.
Die hier abgebildeten Stücke sind teils freie
Plastik, teils stehen sie in architektonischem
Zusammenhang (Denkmal der Kriegsgefallenen
in Murano, Postgebäude in Ferrara). Man kann
bemerken, daß Martinuzzis Ausdrucksstil sich
ändert, wenn er vom freien plastischen Werk
zur Bauplastik hinübergeht. Der männliche Akt
„Ruhender" geht mit präzisem Naturstudium
den Formen nach, hat eine bewegte, licht-
fangende Oberfläche, deutet auf Zusammen-
hänge mit der Gestaltungs- und Pointierungs-
weise des Impressionismus. Die Bauplastiken
drücken sich demgegenüber offensichtlich in
„gebundener Rede" aus — und man kann das
genau so verstehen, wie es in der Dichtung
verstanden wird, wenn von „gebundener" im
Gegensatz zu „freier" Rede gesprochen wird:
der Rhythmus tritt als Versmaß, als Reim auf,
die gebundenen Räume, die der Architekt dem
Plastiker für sein Werk überläßt (Kassetten,
Felder), fügen ein weiteres stilgebendes Element
hinzu. Die rhythmische Prosa der Freiplastik
verwandelt sich in lyrisches Gedicht. Bei den
„Nymphen", bei dem „Po", bei dem „Phaethon"
fassen sich die Formen straff zusammen und
treten unter die Herrschaft geistiger und formaler
Zwänge. In der Komposition erwacht eine wohl-
lautende lineare Fügung, die Oberfläche glättet
und härtet sich. Es ergibt sich das Bild einer
Kunst, die von einem glücklichen, harmonischen
Naturell, von einem klaren männlichen Ernste
getragen ist. Man sieht die Linien ruhevoll aus-
schwingen. Die Formen stehen in einer Stille.
Der Geist der Plastik wird hier (abgesehen
von dem ersten, mehr illustrativen Relief) gefaßt
als ein Geist des ruhenden Lebens, des erfüll-
ten, klaren Seins, das sich selbst genügt, h. r.
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