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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 67.1930-1931

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Hardenberg, Kuno von: Alexander Koch zum siebzigsten Geburtstage, 9. November 1930
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https://doi.org/10.11588/diglit.7202#0083

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ALEXANDER KOCH

ZUM SIEBENZIGSTEN GEBURTSTAGE, 9. NOVEMBER 1930

A lexander Koch — 70 Jahre! Wer hält es für möglich, daß er, der jugendliche Vorkämpfer
für alles, was am ewig grünenden Baume der Kunst jung und lebensstark zum Lichte
drängt, eine Lebensstufe erreicht hat, an der andere sich längst für ein beschauliches Leben,
fern vom Schauplatz des Geschehens und vom Kampfplatz der Meinungen, entschieden haben?

Und doch ist dem so! Die alten treuen Weggenossen, die unter seiner Führerschaft eine lange
Strecke seines tatenreichen Erobererzuges mit ihm wandern durften, die Mitarbeiter, die ihm
an silbernen und goldenen Meilensteinen Lorbeerreiser freundschaftlicher Gesinnung reichen
konnten, sie müssen an die vollendeten 70 Jahre glauben, weil sie es wissen! Sie müssen es
glauben, wenn ihnen auch jeder neue Tag beweist, daß aus dem jungen Alexander Koch noch
immer kein alter Alexander Koch geworden ist, daß der bahnbrecherische Geist, der vor vielen
Jahren in einem, wie von Zauberhand verjüngten Darmstadt, die literarische Führerschaft
einer vielversprechenden Jugend-Kunst übernahm, noch immer die lebendige Kraft hat, der
Kunst-Jugend einer völlig gewandelten Zeit, von der ihn äußerlich betrachtet, Jahrzehnte
trennen, Wegbereiter zu sein.

Es ist etwas Geheimnisvolles um dieses Immer-jung-bleiben-können! Ist es ein köstliches
Sternengeschenk, dem Knaben bei der Geburt in die Wiege gelegt? Ist es ein Beweis für die
Richtigkeit der alten magischen Weisheit, daß die eingehende Beschäftigung mit Schönheit und
Größe den Dämonen des Welkens Eintritt und Einwirken verwehrt? Ist es lediglich das Ergebnis
einer im Verstände verankerten Lebensklugheit, die Wunschwelt und Behagen, Schöpferkraft
und Ordnung in täglich, stündlich aufrechterhaltener Synthese harmonisch zu verbinden versteht?

Liegt dieses Immerjungbleiben vielleicht in einer ganz eigenartigen Tagesfrohheit, die immer
nur der bunten zeugenden Gegenwart zugewendet, nichts wissen mag von geschichtlicher Bin-
dung und schweren Lasten aus vergangenen Zeiten? Sicherlich ist das auch ein Weg, und
Alexander Koch ist ihn gegangen !

Ist es letzten Endes der feine, der Seele letzten Hintergrund erfüllende Humor, der Alexander
Koch bei allem äußerlichen Ernste erfüllt und der ihn schwere Anfänge und mühselige Strecken
des Lebensweges in Jugendfrische überstehen ließ, der ihm gar verhalf, aus den Leiden des
Wellkriegs und der Inflation ungebeugt hervorzugehen? Waren es die Erfolge vieler Jahre,
die Anerkennungen und Ehrungen, die ihm von allen Seiten immer wieder zuteil wurden, nach-
dem er sich in seinem Lebenswerke zur höchsten Stufe emporgerungen hatte, die ihm die
Falten von der Stirne ferngehalten haben? Auch Erfolg und gesegnete Arbeit erhalten jung!
Wer kann es sagen ? Sicherlich sind der Komponenten seines Wesens, wie bei allen schöpfe-
risch veranlagten Menschen viele und verschieden geartete. Wer ihm in den mannigfaltigsten
Lebenslagen zur Seite gestanden hat, der weiß davon ein Wort zu sagen. Man muß ihn nur
einmal in seinem von reifer Kultur erfüllten Arbeitszimmer beobachtet haben, wie er an seinem
Schreibtische, den eine wahrhaft monumentale, in endlosen Stunden rücksichtsloser Arbeit
erwachsene Unordnung adelt, eines seiner für alle Zeiten illustrativ, literarisch und typogra-
phisch musterhaften Hefte komponiert! Da ist er ganz Herr und Leiter! Da ist alles eiserne
Energie, glühender Eifer nach der Höchstleistung, feinstes Fingerspitzengefühl, das da am
Werke ist, das sich später dem Leser und Beschauer als eines jener musterhaften Druck-
werke präsentiert, die wir mit schmunzelnder Selbstverständlichkeit als die bekannten Schöpf-
ungen Alexander Kochs hinzunehmen gewohnt sind.

Man muß ihn gesehen haben, wie er mit seinen Künstlern, mit seinen Angestellten, mit
Besuchern verhandelt, muß beobachtet haben, wie da bei scheinbarer polhafter Ruhe, bei
schlichter Einsilbigkeit echte Lebendigkeit und echtes Temperament, unter der Oberfläche
klug zurückgedämmt, zucken und arbeiten, um sich plötzlich in Tönen bedeutsamer Doktrinen,
wichtigster Anregungen, klar formulierter Meinungen zu befreien, oder aber in Reden eines
köstlich knabenhaften Trotzes, der typischen Eigenschaft aller Führernaturen, emporzulodern,
um sich endlich in das versöhnlichste, jugendlichste Lächeln der Welt zu verflüchtigen. Ja,
er versteht es, die Register seines Wesens zu ziehen, wie kein anderer. Wer könnte alle
 
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