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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 67.1930-1931

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B.: Der Maler Othon Friesz
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https://doi.org/10.11588/diglit.7202#0097

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DER MALER OTHON FRIESZ

Zwei Gruppen von Gegenständen sind es,
die in dem Werk des Malers Othon Friesz
immer wiederkehren: moderne Hafenlandschaf-
ten und figürliche Kompositionen von arkadi-
schem Charakter. Einmal umspannt der Aus-
schnitt das Durcheinander von Schiffen, Spei-
chern, Schornsteinen, aufgehellt und durchpulst
von dem Element des Wassers, das andere Mal
finden wir uns nach südlichen Gärten versetzt,
in denen Frauen anmutig gesellt den Frühling
feiern. Dieser Gegensatz entspricht dem Welt-
bild des Seefahrers, das von den beiden Erleb-
nissen, Ausfahrt und Landung, bestimmt wird,
von der Arbeitswelt der Heimat und der mit
Genüssen lockenden Fremde. Nicht umsonst
stammt Othon Friesz aus LeHavre, der norman-
nischen Hafenstadt, und nicht umsonst war sein
Vater Kapitän und der Großvater, wie man
hört, sogar Pirat.

Das Blut schlägt durch und die Tradition
meldet sich, wenn der Maler schließlich in dem
Mittelmeerhafen Toulon ansässig wird. Da hat
er vor dem Atelierfenster den vertrauten An-
blick der Quais, und vor den Toren breitet

sich die Sonnenlandschaft der Provence. Beide
Pole seines Geschmackes werden befriedigt.
Von der Mutter, einer Pianistin, hat er über-
dies eine ausgesprochene Neigung zur Musik
überkommen — alles zusammen Grundkräfte
der Entwicklung, die ihn in die Nähe des halb-
flämischen Musikersohnes Vlaminck bringen
konnten. Wirklich ging der Weg beider Maler
ein Stück weit ungefähr parallel. Das war
als sich unter der Führung von Henri Matisse
die Gruppe der Fauves zusammenschloß, der
jungen Leute nachimpressionistischer Richtung,
die ihren Spitznamen einer Kritik Pierre Vebers
aus dem Jahre 1906 verdankten.

Von vornherein aber bildete Friesz in dem
experimentierlustigen Ungestüm des Kreises den
Mittelpunkt von Bestrebungen, die auf eine
zeitlos gültige Gesetzmäßigkeit des Aufbaues
zielten und sich darin mit der Tradition der
klassischen französischen Malerei trafen. Ein
deutscher Kritiker empfand schon 1913, als
Friesz in Berlin eine Kollektiv-Ausstellung ver-
anstaltete, bei den „Frauen am Brunnen" die
„Nähe der raffaelischen Stanzen".

XXXIV. November 1930. 3
 
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