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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 67.1930-1931

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Eisler, Max: Haus in Bozen von Clemens Holzmeister
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https://doi.org/10.11588/diglit.7202#0133

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Ein Haus in Bozen von Clemens Holzmeister

CLEMENS HOLZMEISTER—WIEN »ANSITZ VON PRETZ BEI BOZEN«

überall breit genommen, die Zugänge sind reich-
lich und olfen geführt, ein Teil spielt in den
andern, so daß in jedem Teile das ganze Haus
gegenwärtig wird — anregend zum behaglichen
Verweilen und Durchschreiten. Schon der Plan
zeigt den Sinn, den dann der Bau folgerecht
verwirklicht: die Hast und die Unruhe des
Tages, freilich auch die großen Sorgen der Zeit
sind von diesem Hause fern gehalten, es lebt
selbstgenügsam, gefestigt und froh für sich —
ein Heim, eine Welt.

Auch die Ausstattung betont nicht die Be-
sonderheit der Zimmer, sondern weit mehr den
Zusammenhang der Raumgruppen und des ge-
samten Hausraumes. In den unteren Gesell-
schaf Isräumen werden nicht nur erlesene Werk-
stoffe, hier wird auch alter bodenständiger
Hausrat, Familienerbe, verwendet. Die Halle
erscheint mit Eichenholz vertäfelt, ihre Decke
wird von sichtbaren Trämen getragen, an den
Wänden stehen schwere Truhen mit figuralen
Schnitzereien. Aus dem dunklen Ton dieses
Raumes tritt man in die marmorweiße Helle
des Speisesaales, dessen Möbel aus Nußholz
verfertigt, dessen Sessel mit Leder überzogen
sind. Für die Einrichtung der Wohnzimmer
sind Edelhölzer gebraucht, die Schlafzimmer

sind licht gehalten, mit eingebauten Schränken,
aber ohne Anwendung von Schleiflack. Derart
ist schon das Innere des Hauses vom Baumeister
in ruhigen Übergängen geführt, die sich dem
einen, beherrschenden Zug unterordnen.

Und ähnlich verhält es sich nun mit dem
Äußeren. Auch hier tritt der repräsentativen
Front, von einer schlanken Bogenstellung in
Wirkung gesetzt, die intime Rückseite entgegen,
gekennzeichnet von einer tief eingenischten
Freitreppe, die nach der Gewohnheit der Gegend
vom Erdboden hinauf ins obere Stockwerk
führt. Aber schon dieses Motiv klingt mit einem
kleinen Aufgang zum Salon auch vorn an der
Ecke an. Und ebenso steht es mit den übrigen
Gliedern des Hauses: den Erkern und Ter-
rassen, den Balkons und den Lauben. Sie wer-
den vorn in die flach aufgerollte, wagerecht ge-
schichtete und so auch abgedeckte Ordnung
streng eingestellt, aber sie werden dann auch

— mit geringerem Gewicht, mit freierem Spiel

— übers Eck und nach rückwärts geführt. Und
bringen auf diesem Weg nicht bloß die Wen-
dung vom Herrischen zum Idyllischen zustande,
sondern regeln auch den gegen Norden schritt-
weis verminderten Aufschluß des Gebäudes.
Sehr sinnfällig, wie dieses Gebäude als ein rieh-
 
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