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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 67.1930-1931

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Neugass, Fritz: Amadeo Modigliani
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https://doi.org/10.11588/diglit.7202#0233

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AMADEO

MODIGIIANI

»BILDNIS«

AMADEO MODIGLIANI f

VON DR. FRITZ NEUGASS

Als Modigliani im Jahre 1906 als 22 jähriger
L nach Paris kam, erfüllte sich der sehnsüch-
tigste Wunsch seines Lebens. Während langer
Jahre schwerer Krankheit, wo er in Capri,
Amalfi, Florenz und Venedig Erholung suchte,
reifte er zu einem schönen, gebildeten und über-
aus sensiblen Menschen heran, der trotz äußerer
Zartheit voller Spannkraft und Energie seinem
Ziele zustrebte und in der bildenden Kunst die
letzte und höchste Form vollendeten Menschen-
tums erkannte. Er wollte Maler werden und
zog nach kurzen Studien in Livorno, Rom
und Venedig mit wenig Geld und voller Hoff-
nung nach Paris. Sein Atelier auf der „Butte
Montmartre" zeugte noch von seiner Liebe zur
Heimat. An den Wänden hingen die Photos
der großen Meister des Quattrocento. Doch er
liebte gleich jene neue Welt und fühlte sich

bald mit ihr vertraut. Er begann zu zeichnen,
machte täglich unzählige Blätter und gewann
Sicherheit der Linie und Vollendung der Form.
Doch die neue Welt brachte ihn in Verwirrung.
Er wußte nicht recht die künstlerischen Pro-
bleme, die seine Kameraden diskutierten, aufzu-
nehmen und blieb immer ein Fremdling und Ab-
seitiger in jener Kunstrevolution, die im Jahre
1906 zu gären begann. Er nahm teil an den
nächtlichen Debatten in den Cafes des Mont-
martre, wußte lange und geistreiche Gespräche
zu führen, war geliebt und geachtet von seinen
Dichter- und Malerfreunden, aber blieb im letzten
Grunde immer einsam und lebte in seiner eige-
nen Welt. Er suchte Klarheit in der Philosophie
Spinozas und der Ästhetik Wildes und begann
zu dichten, um seinen starken Eindrücken eine
endgültige Form zu verleihen. Die Umwelt

XXXIV. Januar 1931. 1
 
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