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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 67.1930-1931

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Wenzel, Alfred: Die "ethische" Wirkung der Kunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.7202#0316

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Die »ethische« Wirkung der Kunst

Einhaltung gesetzter Grenzen, Selbstbezähmung
und Unterwerfung unter Gebote. Diese Mo-
mente, die aller Formung Voraussetzung bedeu-
ten, und die durch die Form des wahren Kunst-
werkes hindurchglühen, können in uns eine
tiefere, weitere „sittliche" Wirkung anregen,
als sie vom besonderen ethischen Inhalte eines
Werkes her kommen kann. Die Läuterung un-
seres Innern im Kunsterlebnis ist hier eine all-
gemeinere, sie wird sich vielleicht nicht so unmit-
telbar wie jene andere in deutliche Impulse um-
setzen, aber sie ist nachhaltiger, weil sie nicht
nur eine Saite sondern ein Ganzes zum Mit-
klingen bringt.

So kann man also — unter der Voraussetzung,
daß man dem sogenannten „Ästhetischen"
seinen wortgemäßen Sinn wiedergibt — sagen:
daß die wahre, tiefe ethische Wirkung des
Kunstwerks ohne die ästhetische Betrachtung
nicht möglich sei, ohne den Vorwurf einer
aphoristischen Zuspitzung fürchten zu brauchen.
Mit Aphorismen und Paradoxen ist einer All-
gemeinheit ebensowenig genützt wie mit ab-
seitigen philologischen Spielereien, es kommt

uns allen heute nicht auf Worte an. Trotzdem
oder eben gerade deshalb ist es förderlich, von
Zeit zu Zeit jene Worte, hinter denen man sich
etwas vorzustellen gewohnt ist, einer Revision
zu unterziehen und zu sehen, wie es um den
Wert oder Unwert, der dahinter vermutet wird,
steht. Und das „Ästhetische" ist unter diesen
Worten eines der aktuellsten.

Denn scheint es nicht, als habe man das An-
schauen verlernt, wenn man die ethische Be-
reicherung vom Kunstwerk verlangt und allem
Ästhetischen aus dem Wege gehen zu müssen
glaubt? Oder fürchtet man: jede Art von
Kunsterlebnissen, die in der „Form" wesent-
liche Werte schätzt, entferne und entfremde
uns dem wahren Leben? — Man könnte auf
eine solche Befürchtung nichts anderes sagen,
als daß es stets dem einzelnen Menschen und
seiner seelischen Verfassung überlassen sein
wird, ob er aus dem Kunstwerk, dem er sich
verbunden fühlt, beschwingende Impulse für ein
Wirken in der Welt gewinnt, oder die Neigung
zu stiller Kontemplation, abseits vom Leben des
Tages ziehen will....... dr. alfred wenzkl.

ANDRE DUNOYER DE SEGONZAC-PAR1S. »AQUARELL«
 
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