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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 67.1930-1931

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Braungart, Richard: Elisabeth von Esseö
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https://doi.org/10.11588/diglit.7202#0331

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ELISABETH VON ESSEÖ

In der modernen Plastik sind deutlich zwei
Richtungen zu erkennen. Die eine strebt mit
Leidenschaft nach noch nicht erschöpften Aus-
drucksmöglichkeiten, nach der ersehnten, neuen
Form für den neuen, aus der Gegenwart ge-
borenen Inhalt. Die andere Richtung aber ver-
sucht, die Form von heute der Antike anzu-
gleichen, antikes Form-Erkennen und Gestal-
ten-Können für modernes Schaffen nutzbar zu
machen. Sie tut das, weil es für sie ausgemacht
ist, daß in der Plastik der griechisch-römischen
Antike alle irgendwie denkbaren Formgedanken
bereits zu Ende gedacht sind und daß der heute
lebende Plastiker niemals ganz von vorne an-
fangen, sondern immernur umformen, also eigent-
lich nur fortsetzen, auf der gleichen Ebene wie
der antike Künstler sich forttasten kann. Ob
das richtig oder nur eine Fiktion ist, steht hier
nicht zur Entscheidung. Wir können aber an
dieser Tatsache nicht vorübergehen, wenn wir
die Kunst der Münchener Plastikerin Elisabeth

von Esseö recht verstehen wollen. Denn in
ihren Arbeiten, so gegenwärtig sie auch anmuten
und so unmittelbar sie dem Leben unserer
Zeit entwachsen sind, lebt doch manches, was
ohne die Antike nicht denkbar wäre. Am klarsten
wird das vielleicht bei den drei Tänzerinnen,
deren Derbheit durch soviel Leichtigkeit und Be-
schwingtheit wettgemacht wird und in denen die
ganze naive Naturfreude des antiken Künstlers
lebendig ist, eine Freude allerdings, die sich nie
in geistloser Naturkopie erschöpft, sondern
immer eine Steigerung über die Natur hinaus,
über den zufälligen Einzelfall ins Ewiggiltige er-
strebt. Auf der Grenzscheide zwischen antik
und gegenwärtig steht der Kopf der Bildhauerin
und Dichterin Ruth Schaumann, ein Seelenpor-
trät von hoher Geistigkeit und ergreifender
Menschlichkeit. Am weitesten von antikem
Fühlen scheint die Kauernde entfernt zu sein.
Hier klingt manches Motiv an, das dem Kenner
der modernen Plastik wohlvertraut ist und be-
 
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