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Lucka, Wilhelm [Hrsg.]
Denkmaltopographie Bundesrepublik Deutschland: Baudenkmale in Niedersachsen (Band 27): Landkreis Uelzen — Braunschweig, 1984

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https://doi.org/10.11588/diglit.44438#0064
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Politisch stand Uelzen immer im Schatten des
mächtigen Lüneburg. Durch Einrichtung eines
Landgerichtes 1506 wurde die Stadt zwar auf-
gewertet, dieses wurde jedoch schon 1564
nach Celle verlegt. Das Gericht der Stadt hin-
gegen erwarb sich nach und nach große Kom-
petenzen gegenüber der herzoglichen Amts-
verwaltung in Bodenteich und erlangte 1749
endgültig die volle Gerichtshoheit im Stadt-
gebiet. 1810 wurde Uelzen kurzzeitig Distrikt-
hauptstadt im Allerdepartment des König-
reiches Westfalen unter König Jerome, dem
Bruder Napoleons. Mit der preußischen Kreis-
ordnung wurde Uelzen dann 1884 Kreisstadt
und die wirtschaftliche Expansion dieser Zeit
wurde ergänzt durch zahlreiche Einrichtungen
im Bereich der Verwaltung, Bildung und
Dienstleistungen. 1954 wurde die Stellung der
Stadt durch den Einzug der Kreisverwaltung in
das neue Kreishaus in Uelzen bestätigt.
SIEDLUNGSGESCHICHTE DES
HISTORISCHEN STADTKERNS
Die erste Siedlungszelle der neuen Stadt be-
stand aus den regelmäßig in Einheitsgrund-
stücke von 25 x 100 Fuß parzellierten Bau-
blöcken beiderseits der Lüneburger Straße.
Jeweils zwei Twieten auf jeder Seite unterteil-
ten die Bebauung in sechs Blöcke. Reste von
Befestigungsanlagen, die bei Ausschach-
tungsarbeiten festgestellt wurden, deuten auf
die Umrisse dieses ersten Siedlungsareals
hin. Wohl noch im 13. Jh. erfolgte die Erweite-
rung durch die Parzellierung entlang der Veer-
ßer Straße und der Schuhstraße. Auch hier
gingen die Grundstücke bis zu den Hinter-
straßen durch. Mit der Bebauung der Gudes-
straße, die zunächst als Verbindung nach
Oldenstadt und den dort verlaufenden alten
Handelswegen von Bedeutung war, wurde der
für Norddeutschland einmalige Stadtgrundriß
mit der T-förmigen Anordnung seiner Haupt-
straßen festgelegt. Deren auffällige Breite von
20-25m ist begründet in ihrer Nutzung als
Marktstraßen zum Abstellen der Pferdefuhr-
werke an den Markttagen. An den Haupt-
straßen standen die Häuser der Uelzener
Kaufleute. Als eine der ersten Nebenstraßen
wurde die Schmiedestraße zur Verbindung
zwischen dem Lüneburger Tor und dem Gu-
destor angelegt.
Das Rathaus wurde an die Kreuzung der
Hauptachsen in der Ortsmitte gesetzt, dahin-
ter entstand die St. Marien Kirche. Im Südwe-
sten der Stadt („Am Platz“) lag der 1352 als
„Schloß“ bezeichnete Hof des Landesherrn.
Nachdem Herzog Wilhelm ihn 1367 zunächst
an die Klöster Lüne, Ebstorf und Medingen
verkauft hatte, kam er später in den Besitz der
Stadt, welche ihn als Stadtbauhof, Büttelei
und Scharfrichterwohnung nutzte.
Am Lüneburger Tor wurde nach 1322 ein Spi-
tal eingerichtet. Nach dem vorläufigen Ab-
schluß der Stadtentwicklung wurde die Anlage
1381-86 befestigt. Innerhalb der Stadtmauer
wurde der Grundriß im weiteren nur noch ge-
ringfügig modifiziert, indem an den Hinterstra-
ßen z.T. Grundstücke abgeteilt wurden. Hier
wurden vor allem Wohnhäuser von Handwer-
kern gebaut. Am Schnellenmarkt und an der
Schuhstraße bildeten sich Nebenmärkte. Ein

zweites, heute nicht mehr erhaltenes Spital
wurde 1459 an der Achterstraße eingerichtet,
wo das Kloster Ebstorf bereits seit 1370 einen
Hof besaß.
Der im Mittelalter entwickelte Stadtgrundriß
blieb auch erhalten, als nach den schweren
Kriegszerstörungen des Jahres 1945 weite
Teile der südlichen Hälfte Uelzens neu bebaut
wurden.
DIE MITTELALTERLICHEN GEBÄUDE
DES STADTKERNS
Ev. St. Marienkirche
Rund um den Kirchhof der St. Marienkirche
sind in einem engen räumlichen Zusammen-
hang die meisten der heute noch erhaltenen
Gebäude aus dem Mittelalter konzentriert. In
ihnen fanden die sich vielfältig überlagernden
Kräfte der Bürgerschaft, der Kirche und der
Landesherrschaft ihren baulichen Ausdruck,
die Uelzens Entwicklung im Mittelalter be-
stimmten.
Der Bau der St. Marienkirche wurde wohl um
1280 begonnen und 1292 wurde sie vom Bi-

schof von Verden als Pfarrkirche geweiht. Die
dreischiffige Backsteinhallenkirche hat stark
gebuste Kreuzrippengewölbe, die auf gedrun-
genen Rundpfeilern ruhen. Von diesem Ur-
sprungsbau blieben die vier Joche des Lang-
hauses erhalten, nachdem der Chor um 1360
abgerissen und an seiner Stelle bis 1385 ein
hohes, ebenfalls dreischiffiges Chorhaus er-
richtet wurde, welches das ältere Langhaus
um ca. 5 m überragt. Das neue Chorhaus be-
steht aus zwei Jochen mit Kreuzrippengewöl-
ben und einem siebenseitigen Chorhaupt mit
hohen, dreigeteilten, farbig verglasten Fen-
stern. Der im Chor herrschende Eindruck von
Weite, Schwerelosigkeit und Lichtfülle wird
noch verstärkt durch den Kontrast zu den
schweren Gewölben des Langhauses. Die
achteckigen schlanken Pfeiler weisen Stuck-
konsolen mit Tierkopfdarstellungen ähnlich
denen in Ebstorf auf. Abgeteilt ist im südlichen
Seitenschiff die Sakristei untergebracht. Ein
Terrakottenfries zieht sich außen unter der
Traufe um den Chor. Eine ursprünglich vor-
handene Unterkirche unter dem Chorraum
wurde nach dem Einsturz ihrer Gewölbe 1696
zugeschüttet.


Turm der St. Marienkirche von Achterstraße 4 und 11


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