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4 männliche und 2 weibliche, zierlich gegossene Statuetten. Sie scheinen Landleute vorzustellen.
Oben zwischen den Zinnen des Thurmes kniet wie auf Felsstücken das wilde grünbemalte Männ-
lein, „der wilde Waltschrat“, der beharrte und struppige Bilwise der heidnischen Mythologie in’s
moderne Deutsch übersetzt, mit der Rechten die mächtige Keule schwingend und mit der Linken
einen Schild haltend, von welchem, wie die zum Befestigen angebrachten Schraubenlöcher deutlich
zeigen, das Wappen abhanden gekommen ist. Wäre uns die Voraussetzung erlaubt, dass, bevor diese
Kannen in den Besitz des Hoch- und Deutschmeisters Erzherzogs Maximilian übergingen, sie bereits
Eigenthum des Deutschen Ordens waren, dann wäre es uns sogar möglich auzugeben, wem das
Wappen angehörte, und folglich wer diese Schänkkannen anfertigen liess. Im Inventare von 1526
heisst es nämlich: „zwei silberne Schenkkannen mit den Wappen Stokheim’s“. 1606 und den
18. December 1619 wird das Wappen nicht mehr erwähnt, dagegen aber bemerkt, „dass die zwei
grossen silbernen Wasser-Kanten zum Theil vergoldet seien“. Nimmt man an dem Ausdrucke:
„zum Theil vergoldet“, keinen Anstoss, ein Ausdruck, welcher in den Inventaren nicht immer im
strengsten Wortsinne zu nehmen ist, dann müssen die beiden Wasser-Kannen zwischen den Jahren
1499 und 1500, in welcher Zeit Hartmann von Stechheim die Würde eines Deutschmeisters be-
kleidet hatte, gearbeitet worden sein. Ihr Styl widerspricht, wie wir schon oben bemerkten, ganz
und gar nicht dieser Periode. Man betrachte nur die kühn angelegte Handhabe, die durch ein
saurierartiges Unthier dargestellt wird. Die ganze trefflich gearbeitete Gestalt erinnert an die
beste Zeit der sogenannten Wasserspeier und jener Thierformen, welche unseren gothischen Domen
so viel Abwechslung und Leben geben. Wie ausdrucksvoll ist nicht der Kopf des Thieres, wie
weich sein Eidechsenkörper, wie naturtreu das sich Anklammern an die Wände der Kanne. Wahr-
haftig, der Meister verstand noch den alten Geist und hauchte ihn seinem Metalle ein. Ja, selbst
das wilde, griinlackirte Männlein ist nicht ohne Ausdruck. Das Inventar von 1757 legt schon
darauf das Hauptgewicht, und bemerkt, um diese Kannen von andern zu unterscheiden, aus-
drücklich, dass das wilde Männlein grün geschmelzt sei. Dasselbe geschieht auch im Verzeich-
nisse von 1784 u. s. w. und das mit vollem Recht; denn lange vor dem Jahre 1703 hatte der
D. 0. Schatz „eine grosse, stark vergoldete, silberne Kanten, obenauf ein Thurmdeckel und darob
ein wild Männlein“, die 1703 gestohlen, und wie so vieles andere, doch mit abgebrochenem
Deckel und ganz zerschlagen, wieder zu Stande gebracht wurde. Dadurch unbrauchbar geworden,
ward sie am 20. December 1719 dem Silberhändler Rauner in Augsburg zum Einschmelzen
überlassen.

Der Zweck eines solchen Gefässes war, eine grössere Menge von Flüssigkeiten auf ein
Mal aufzustellen, um daraus die Trinkbecher zu füllen, daher der Name Credenz - Giess - Wasser-
Kante, obwohl sonst für Wasser Kannen „mit Schnäuzlein“ angeführt werden.

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