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Die Form: Zeitschrift für gestaltende Arbeit — 9.1934

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Schwab, Alexander: Arbeitsbeschaffung
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Wendland, W.: Anweisungen zum richtigen Wohnen
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https://doi.org/10.11588/diglit.13712#0032

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anonymen Kräfte der Weltkonjunktur nach wie vor über-
mächtig; sind auf die Dauer in der Vormacht auch gegenüber
allen Handlungen — Kampfhandlungen wie Friedensverhand-
lungen — der politischen Kräfte. Und vorläufig hat der Ein-
fluß der politischen Kräfte auf dem internationalen Feld trotz
aller gegenteiligen Versicherungen, noch immer überwiegend
störenden, ja zerstörenden Charakter; die Währungskämpfe,
ausgefochten mit der modernsten und weitaus furcht-
barsten Waffe der Außenwirtschaftspolitik, sind noch keines-
wegs beendet und bedrohen alle Märkte mit fortschreitender
Zerrüttung.

Der Anlauf einer neuen weltwirtschaftlichen Konjunktur wird
also, wenn man sich einen solchen Vorgang einmal gewissen-
haft vorstellen will, lange Zeit gegen außerordentliche Hem-
mungen sich durchzusetzen haben. Wollte man im Ernst
annehmen, daß ausreichende Beschäftigung der gestaltenden
deutschen Arbeit letzten Endes nur von einer neuen weltwirt-
schaftlichen Konjunktur gesichert werden könne, so wäre
damit allen denen ein böses Signal gegeben, die nicht mehr
langen Atem haben, deren Kräfte kaum noch zum Warten
ausreichen wollen.

So ist es aber nicht. Ein gewisser Ausschnitt deutscher
Arbeit, zu einem Teil gerade die eigentliche Wertarbeit, hält
sich zunächst einmal auch an den Auslandsmärkten weiter —
nicht ohne Rückschläge und Hemmungen, nicht ohne Kampf
und Opfer; aber er hält sich. Dieser deutsche Qualitätsexport,
ohne den ganze Landstriche bei uns verkümmern, braucht die
Unterstützung der Regierung, und man darf hoffen, daß er
sie finden wird. Er braucht aber auch die unermüdliche Zu-
sammenarbeit von Kaufleuten, Erfindern, gestaltenden Kräften
der künstlerischen und technischen Arbeit, von Exporteuren,
Banken, Schiffahrt, und immer wieder: von Kaufleuten; denn
es ist entscheidend wichtig, sich im Markt zu halten, die alten
Verbindungen zu pflegen, neue zu suchen. Der einmal ver-
lorene Markt bleibt meist verloren, der abgerissene Faden ist
kaum je wieder anzuknüpfen.

Aber freilich sind die Bedingtheiten wechselseitig: so wenig
Deutschland leben könnte in den Fesseln einer chinesischen
Mauer, so wenig können die Wirtschaftskräfte, die nach
draußen zielen, lebendig bleiben und ihre Funktion erfüllen,
wenn nicht im Lande selbst ein lebendiger Körper sich gesund
entwickelt.

Was also heißt nun „Arbeitsbeschaffung"? Im Kern heißt
es: dafür sorgen, daß im Lande selbst ein gesunder Wirt-
schaftskörper sich wieder entwickelt.

Das sagt sich so leichthin. Den Sinn solcher Sätze muß man
einen Augenblick ruhig im Innern sich entfalten lassen, wenn
man ihr Gewicht auch nur ahnen will. Aber man denkt zurück,
Arbeitsbeschaffung war einst ein Ausfindigmachen von Mög-
lichkeiten, Arbeitskräfte mit Hilfe öffentlicher Gelder so zu
beschäftigen, daß es noch einigermaßen sinnvoll und vertret-

bar schien. Es war ein sehr mühsames Suchen und Umhersehen,
da und dort, wirtschaftlichen Wert sollte das Arbeitsergebnis
haben, aber es sollte zugleich dem privaten Kapital kein Ge-
schäft weggenommen werden, recht oft mußte man da bei
Füllarbeit stehen bleiben, oder zu Verlegenheitsentschlüssen
und Fehlleitungen kommen. Groteske Zuspitzung: schließlich
holten Gemeinden Arbeitslose zu Notstandsarbeiten, damit
diese die fehlenden Wochen für eine Anwartschaft auf Arbeits-
losen-Unterstützung noch auffüllen konnten: der Sinn der
Tätigkeit dieser Menschen war nicht mehr: etwas Vernünftiges
zuwege zu bringen, auch nicht: Geld für sich und die Ihren zu
verdienen, und nicht einmal: Kraft und Können sinnvoll zu üben
—■ in grausiger Lächerlichkeit entschied der Amtsschimmel, zum
Selbstzweck geworden, erhaben über Menschenschicksal und
schaffende Arbeit, und der verdienteste Verwaltungsmann war
der, der am besten die Kosten auf eine andere Behörde ab-
zuwälzen verstand.

Das ist vorbei, im Grunde vorbei, wenn auch noch zu viel
komplizierter Vorschriftenkram besteht, der heut gar nicht mehr
nötig wäre. Aber man muß sich das vor Augen halten, wenn
man ermessen will, wie die Dinge sich gewandelt haben und
weiter sich zu wandeln im Begriffe sind. Kurz gesagt: das
Wort Arbeitsbeschaffung will nicht mehr recht passen. Die
Sache ist über das Wort hinausgewachsen. Die Sache
bedeutet heute: Umbau des wirtschaftlichen Lebens der
ganzen Nation. Die Verlagerung wirtschaftspolitischer Kräfte
in das agrarische Feld, die Wendung zum Dorf, zum Bauern,
ist ein Teil dieses Umbaus. Die fortdauernde und verstärkte
Förderung der städtischen Randsiedlung ist ein anderer Teil.
Die neue Bevölkerungspolitik — von den Ehestandsdarlehen
war schon die Rede — gehört dazu; sie ist noch in ihren ersten
Anfängen. Autostraßenbau und allgemeine Förderung des
Kraftverkehrs gehören ebenfalls dazu, und hier sind die Ver-
bindungen zum Bau und zur Gestaltung technischer Ge-
brauchsgegenstände offenbar.

Aber an all das wird sich einmal auch die Sanierung der
Städte anschließen müssen. Hier liegt ein ungeheures Feld der
„Arbeitsbeschaffung", hier liegen, wie Alfons Paquet kürzlich
mit Bezug auf Berlin sich ausdrückte, „Großaufträge für die
Spitzhacke", — die natürlich nur einen Sinn haben, wenn ihnen
die Großaufträge für Architekten, Baugewerbe, Garten-
gestalter und alles weitere nachfolgen. Wer daran mitwirkt,
das sichtbar zu machen, was auf diesem Felde not tut, und es
der Verwirklichung näher zu führen, der sorgt für „Arbeits-
beschaffung" auf Jahrzehnte, indem er zugleich für ein Kern-
stück des notwendigen Umbaues und für die Wiederentwick-
lung eines gesunden inneren Wirtschaftskörpers sorgt.

Der Boden, der Außenhandel und die Stadt, das sind die drei
Felder einer dauernden Arbeitsbeschaffung. Hier erschließen
sich auch für die Kräfte der materiellen Gestaltung Tätigkeits-
gebiete, vorausgesetzt, daß die wichtige Verbindung von staat-
lichem Planungswillen und persönlicher Initiative gefunden wird.

Anweisungen zum richtigen Wohnen

Wie einst die Anweisungen zum seligen Leben, so schießen
heute die Anweisungen zum richtigen Wohnen wie Pilze aus
der Erde. Es ist gut und richtig, daß diese Frage allmählich
populär wird, daß sie aus jenen wenigen Kreisen einsichtiger,
kulturliebender Menschen in die breite Masse des Volkes ge-
langt. Einst war das ausgezeichnete Buch von Wilhelm Lötz
das ausschlaggebende, einzige Werk über diese Frage. Heute
sind es bereits eine ganze Reihe, die mitreden wollen und in
gewisser Weise auch ihr Teil dazu beitragen, daß der Mensch,

der nicht das Gefühl für die richtigen Dinge hat, das Richtige
findet.

Eine andere Form solchen Buches stellt das Buch von Carl
Burchard, erschienen im Verlag Otto Beyer, Leipzig, dar,
„Gutes und Böses in der Wohnung in Bild und Gegenbild".
Das Wagnis, Beispiel und Gegenbeispiel gegeneinanderzu-
stellen, ist schon oft unternommen worden. Es kann damit stets
nur eine sehr grobe Wirkung erzielt werden, so ist es auch im
vorliegenden Falle, wengleich im großen und ganzen die Bei-

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