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Die Form: Zeitschrift für gestaltende Arbeit — 9.1934

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Maasz, Harry: Seltsames aus spanischen Friedhöfen
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https://doi.org/10.11588/diglit.13712#0072

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Seltsames aus spanischen Friedhöfen

Das dieser Bilderfolge vorangestellte Lichtbild gibt nicht im
Entferntesten den überraschenden Eindruck wieder, den der
Reisende hat, wenn er plötzlich aus den mählich sich lockernden
Häuserzeilen des Paseo de Colon in die am Hafen von Barce-
lona entlang führende Carretera de casa Antunez einbiegt,
und seine Blicke rechts den Höhen des Montjuich zuwendet.

Dort oben fand vor Jahren bekanntlich die große inter-
nationale Ausstellung statt, deren großartige Licht- und Wasser-
künste noch jetzt an einigen Abenden der Woche die für
solche Wunder stets empfängliche katalonische Bevölkerung
in Entzücken versetzt.

Wir waren auf grünen Forschungsreisen durch dieses ent-
zückende, liebenswerte, an allen Enden, in allen Ecken über-
raschende Spanien, und standen nun — auf der Suche nach
Friedhöfen — unterhalb eines gar wunderlichen Stadtviertels,
dessen Häuserreihen in zehn Staffelungen die Höhen hinan-
klommen. Jeden Gebäudemaßstabes an dieser Stelle bar,
schien es, als öffne sich dem Auge hier eine bis in alle
Konsequenzen durchgeführte moderne Siedlung in Glas.
Fensterreihen an Fensterreihen, aufragende Pfeiler, Bänder und
Lisenen, und aus den im Schein der Sonne weiß erhellten
Flächen von Stufe zu Stufe, schob sich das markante Grün
von Pinien und Zypressen, als seien Alleen durch diese Berg-
stadt gezogen. Da tauchten weiße Kreuze auf, mehr und
mehr — das also war der berühmte Cementerio des Sudoeste,
der neue Friedhof der großen, lebendigen, fast nordeuropäisch
anmutenden Hauptstadt Kataloniens.

Also doch eine Stadt, dieser Zentralfriedhof Barcelonas, eine
richtige Totenstadt, und nicht ein Garten, in dem wir ja unsere
Toten beizusetzen pflegen. Man übergibt jetzt seinen braven
Wagen, der uns von Deutschland durch ganz Spanien getragen
hatte, dem geschäftig hin und her rangierenden Wärter, und
tritt ein durch das Tor in diese ein wenig unheimliche Stille
dieser Stadt, durch deren Häuserzeilen, Totenhäuser, schwarz-
gekleidete Menschengruppen wortlos ziehen, hinabgleiten auf
unsichtbaren Stufen, zwischen Grüften und Tumben, hinauf-
steigen auf schmalen gewundenen Staffeln, um irgendwo zwi-
schen den Wänden und in den schwarzen Schatten grüner
Piniensäulen, immergrüner Eichen, Magnolien, Hibiscus und
anderer, bei uns unbekannter Gehölze und Kletterpflanzen, die
jetzt eben in erstaunlicher Fülle blühten, zu verschwinden.

Von den Mauern herab quollen dichte Flocken violetter und
roter Bougainvilleen, und unerhört tiefblau blühende Trichter-
winden klettern an Rosenbüschen aufwärts. Hier reichte diese
unheimlich sachliche Totenstadt dem überquellenden Leben einer
phantastisch reichen Vegetation die Hand zum harmonischen
Bündnis.

Der Boden der iberischen Halbinsel ist zu karstig, zu felsig,
als daß er die zahlreichen Toten — nach unserm Brauch —
in Gräbern zur ebenen Erde aufnehmen könnte. Hier werden
die felsigen Anhöhen in mühevoller Arbeit terrassiert, und die
gewonnenen Bruchsteine und Brocken zu Grabkammern und
Totenhäusern aufgeschichtet und vorgemauert. Bevorzugte Be-
gräbnisplätze für die Beisetzung mehrerer Gestorbenen erhalten
 
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