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Die Form: Zeitschrift für gestaltende Arbeit — 9.1934

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Heiss, ...: Die bauliche Gesinnung unserer Zeit
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https://doi.org/10.11588/diglit.13712#0097

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So baut sich unsere Jugend ihre Hütten. Trutzig und selbstbewußt blicken sie in die Well. Trotzdem wird die Landschaft nicht zerstört, sondern durch
richtige Einfügung gesteigert (Gaststätte Hohe Welt am Arlberg. Gestalter: Liedecke und Kotzer, Stuttgart)

Die bauliche Gesinnung unserer Zeit

Im Mittelpunkt des heutigen Bauens steht der Mensch, steht
die Schaffung lichter, gesunder, praktischer Wohnungen und
Arbeitsräume für alle Volksgenossen, der Bau zweckmäßiger
und schöner Dörfer, Märkte und Städte, steht die Verbesserung
der verelendeten und unpraktischen Räume und Ortsteile. Das
ist das bauliche Wollen unserer Zeit.

Vor uns liegt das Erbe der Vergangenheit, das furchtbare
Ergebnis einer Zeit, in deren Mittelpunkt der Gewinn als Inhalt
des Bauens stand, in der das Bauen des tieferen Sinnes ent-
behrte. Für den heutigen Menschen ist es schwer vorstellbar,
daß es einst möglich war, Städte ohne Planung, ohne Idee,
ohne Vernunft zu schaffen und zu erweitern, ohne daß das
Volk dagegen aufstand. Es ist kaum faßbar, daß die Schauseite
einer. Hauses einmal wichtiger war als der Inhalf, daß Menschen
jahrzehntelang in einem Nebenraum hausten, damit der „Salon"
nicht beschädigt wurde, dies alles nur um mehr scheinen zu
können, als man war. Es ist kaum glaublich, daß die besitzen-
den Klassen einmal stärker waren als der Staat als Träger des
Volkswillens, daß die Interessen der Grundbesitzer gegenüber
denen der Allgemeinheit in den Vordergrund treten konnten.
Es klingt für uns wie ein Märchen, daß man noch vor einigen
Jahren predigen konnte, daß alle Menschen gleich seien, daß
somit alle Häuser und Möbel gleich werden müßten. Man
schaudert, wenn man daran denkt, in welchem Umfang sich
Bauherren, Bauunternehmer, Geldleute, Hersteller von Bau-
stoffen und Konstruktionen, Baugestalter, Handwerker und alle
am Bau Beteiligten oftmals gegen den Volksgenossen und
gegen das Volk versündigten und sich dadurch mitschuldig
machten an jenem Unmaß von Haß, das unser Volk zersetzte.

An Stelle dieser Willkür beginnt heute Gemeinsinn und Ord-
nung zu treten. Wenn in der Vergangenheit das einzelne Haus
und die vielerlei Interessen des Einzelnen das Wichtigste waren
und Planungen lästige Behinderung des Bauherrn, so ist heute
die Disziplin der Planung das Entscheidende geworden. Die
heutigen Menschen fühlen sich den nachfolgenden Geschlech-
tern verantwortlich dafür, daß der Lebensraum, der uns zur
Verfügung steht, richtig verwendet, ausgebaut, umgebaut wird,
daß die Straßen, Wehre, Dörfer, Städte sinngemäß eingefügt
werden. Mehr als je ist das Volk heute willens, sich gegen
Schädlinge am Gesamtwohl zu wehren. Wohin würden wir
auch kommen, wenn der Einzelne seinen Eigenwillen nicht
zurückstellen würde, wenn es für jeden Bauenden nicht selbst-

verständlich würde, Rücksicht zu nehmen auf den Nachbarn,
das Ortsbild, die Landschaft, ehrfürchtig zu sein vor dem
vorhandenen Guten. Deutsche Baugesinnung besitzen heißt
nicht, Türmchen, Erker, Balkone und Butzenscheiben bauen,
sondern mit der Selbstverständlichkeit des anständigen Staats-
bürgers sich unterzuordnen, wie unsere Vorfahren vor vielen
Jahrhunderten es getan haben. Im Geist unserer Zeit bauen
heißt, jeden Bau, gleichgültig ob Wohnraum, Werkraum,
Bauernhaus oder Kirche mit der gleichen Liebe behandeln,
daran denken, daß jeder Winkel in jeder Stadt, im gesamten
deutschen Land, gleich wichtig ist, weil überall Menschen
wohnen und arbeiten werden mit ihren Mühen und Sorgen,
Menschen, die sich freuen wollen, die nach lichten, luftigen,
guten Räumen verlangen. Deutschland als Ganzes ist Bau-
herr. Der Einzelne ist nur Lehensträger des Bodens. Der Bau-
gestalter ist Treuhänder des Staates, dem Volke gegenüber
verantwortlich dafür, daß alles vernunftgemäß, wirtschaftlich,
zweckmäßig, schön geschaffen werde. Damit wird der Bau-
gestalter gegenüber Volk und Bauherrn zum sozialen Reformer,
zum Kämpfer gegen die Ausbeutung des Volksgenossen durch
Gewissenlose, zum Führer für die Wohnbedürfnisse einer
neuen Generation. Kaum ein Beruf hat sich am Volk so schwer
versündigt, wie der Baugestalter der letzten Jahrzehnte, der
sich oftmals zum Büttel des Kapitals machen ließ statt für das
Volk einzutreten. Es ist deshalb zu erwarten, daß die Gesetz-
gebung der nächsten Jahre den Baugestalter in ähnlicher
Weise wie den Anwalt und den Schriftleiter verpflichtet. Damit
wäre ein guter Schritt zur Gesundung des Bauwesens getan.

Ausdruck dieses tiefgreifenden Gesinnungswandels in der
Auffassung vom Bauen sind die veränderten äußeren Formen.
Noch sind wir am Anfang. Alles sichtet sich erst. Aber es
unterliegt keinem Zweifel mehr, daß, einer Bewegung gleich,
eine einheitliche Auffassung in der Gestaltung aller
sichtbaren Dinge sich vorbereitet und mehr und mehr hervor-
bricht. Die Kämpfe um einen Ausdruck aus dem Geist unserer
Zeit, die im letzten Jahrzehnt erbittert ausgetragen wurden,
erscheinen uns als nichtig und durch die Wirklichkeit überholt.
Die Fronten schließen sich, der Zorn wendet sich nun vor-
wiegend gegen die Nichtskönner, die bisher den Nutzen
zogen aus den Fehden der Tüchtigen. Heute weiß jeder, daß
es ein Irrweg war, die Formen der deutschen Vergangenheit
auf die Gegenwart zu übertragen und daß wir es noch

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