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Die Form: Zeitschrift für gestaltende Arbeit — 9.1934

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Heiss, ...: Die bauliche Gesinnung unserer Zeit
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https://doi.org/10.11588/diglit.13712#0098

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viel weniger notig hatten, bei -fremden Ländern und bei
fremden Rassen formale Anleihen zu machen. Wir fühlen
unbewußt, daß das Erlebnis unserer großen Zeit uns so ge-
stärkt hat, daß aus dem Geist der Gegenwart und aus
unserem ewigen Bluterbe Formen entstehen werden, auf die
wir wieder stolz sein können. Schlicht, einfach, wahr und innig
ist dieser bauliche Ausdruck unserer Zeit, bei aller Einheit-
lichkeif ist er landschaftlich mehr oder weniger stark beein-
flußt. Diese Haltung, die zu einer neuen Hochwertigkeit
führen kann, wird zweifellos siegen. Was warten wir auf
große Ueberraschungen ? Wenn wir nicht ruhen, an uns
selbst zu arbeiten, wenn wir von unserem Inneren geben
und aus unserer Heimatliebe heraus schaffen, so wird
alles stärkere Inhalte, größere Tiefen bekommen, wird jede
Verirrung, alles Brutale, Ueberladene, Verlogene, Harte, Ver-
krampfte zurückgedrängt, so wird der Einzelne mehr noch als
heute namenloser Träger einer gemeinsamen Sprache. Freuen
wir uns, daß die Zeit endlich vorüber ist, in der man von den
Dächern herab hören mußte, daß alles Zweckmäßige auch
schön sei, in der von falschen Propheten Glas und Eisen als
Inbegriff einer neuen Baugesinnung gepriesen wurden und die
Zeitungen von den blutleeren Kämpfen um Flachdach und

Steildach erzählten. Eine bauliche Gesinnung kommt nur aus
dem Herzen, niemals aus dem Stoff und aus der Konstruktion,
die hierfür nur Träger sind. Eine bauliche Gesinnung kommt
auch nicht vom Handwerk allein, sondern ausschließlich von
den guten Geistern aller Gestaltenden, von denen mit dem
Kopf, mit der Hand und mit der Maschine, aus einer Werk-
gemeinschaft zwischen den geistigen Gestaltern und den
Gestaltern der Hand. Nur der Charakter schafft das, was wir
uns wünschen und was wir erwarten, aus der Verantwortung
heraus gegenüber dem sauer erworbenen Geld des Volks-
genossen mit geringsten Mitteln eine starke Sprache, eine
Gestaltung der Bauten aus der heiligen Verpflichtung gegen-
über Volk und Heimat und den ewigen Gesetzen der Kunst.

Die hier gezeigten Beispiele aus dem Schaffen der letzten
Jahre in Deutschland lassen den Geist und die Haltung, von der
wir eben sprachen, schon erkennen. Wenn wir auch erst
auf dem Wege sind und somit jede der Arbeiten irgendwelche
Unvollkommenheiten aufweist, so ist doch der gemeinsame
Geist und die Ueberlegenheit dieser Lösungen unverkennbar,
und unleugbar die Verbundenheit mit unserem Volk und mit
dem heutigen Menschen. Heiss

Aufnahme: Schlegel, Mittweida

Dies Haus paßt zu unseren Ruderern. Schlicht,
zweckmäßig und wahr drückt es nur das aus,
was es sein soll (Boothaus in Thüringen. Ge-
stalter: Reißmann, Mittweida)

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