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Die Form: Zeitschrift für gestaltende Arbeit — 9.1934

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Wendland, Winfried: Wandlung des Künstlers
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https://doi.org/10.11588/diglit.13712#0122

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Wandlung des Künstlers

Der Dichter Paul Ernst hat einmal von der vergangenen Zeit
gesagt: „Es hat wohl kaum jemals eine Verfassung der
menschlichen Gesellschaft gegeben, welche dem Künstler so
feindlich gestimmt war, wie es die heutige bürgerliche Ver-
fassung ist." Für diese Behauptung brauchen wir den Beweis
nicht mehr zu erbringen; denn wir kennen ja alle das Schicksal
des Künstlers, das noch heute durch diese Geistesverfassung
der bürgerlichen Welt bestimmt ist, wenn auch die bürgerliche
Staatsverfassung fiel. Aus der Ueberschätzung des Formalen
ergibt sich zudem die weit verbreitete Ansicht, daß Kunst eine
Angelegenheit sogenannter Spezialisten sei, die erst das Kunst-
werk zu interpretieren hätten, außerdem eine Angelegenheit
des Geldbeutels. Wer Kunst genießen wolle, habe dazu in
den Galerien Gelegenheit. Die Folge dieser Auffassung ist die
Loslösung der Kunst vom Leben des Volkes. Das Volk nimmt,
da der Spezialist sich in den Bezirk der Unverständlichkeit des
Fachmannes zurückzieht, lieber wahllos die massenhaft auf
den Markt geschleuderten Surrogate auf. Auch heute noch
lebt, trotz Millionen von Kriegsopfern, trotz vierhundert ge-
fallener SA-Kämpfer, diese materialistische Anschauung, die
die Kunst zur veräußerbaren Ware macht. Genau wie unsere
Städte durch Bodenwucher als aufgeblähte, formlose Gebilde
emporschössen, so zerstörte die Ver'flachung und die Sucht
nach Geld den Familienbesitz, der tief im Brauchtum verankert
war und zum Gebrauch bestand, nicht als künstlerischer Wert,
nicht einmal als „Wert". Boden ist niemals Ware, sondern
Lehen. Kunst ist niemals Ware, sondern Gestaltung des Lebens
aus dem Geiste. Durch die Versündigung gegen diese Auf-
fassung war die Kunst nicht mehr Sache des Volkes in einer
natürlichen Gestaltungssehnsucht, sondern Angelegenheit der
Reichen, der Sammler, der Museen. Der Künstler lebte ein
Leben „außerhalb" des Volkes, als Bohemien auch außerhalb
der Gesellschaft. Dieses liberale Jahrhundert ist das einzige
unserer Geschichte, das keinen selbständigen Kunstausdruck,
sondern ein Chaos von Kunstrichtungen und Versuchen hinter-
lassen hat, keine einheitliche künstlerische Ausdrucksform einer
Zeit, gewachsen aus einheitlicher Lebensform, gemeinschaft-
licher Weltanschauung, starker staatspolitischer Gemeinschaft
oder aus einem besonderen Volksbewußtsein.

Zum erstenmal in einem heutigen Staatswesen hat nun der
Führer durch seine Rede am Parteitag in seiner Eigenschaft
als Staatsmann dem Künstler die ihm gebührende Aufgabe in
seinem Volk zugewiesen. Der Künstler soll mit seiner Kunst „die
stolzeste Verteidigung seiner Nation" übernehmen. Das be-
deutet das Ende der sogenannten Freiheit der Kunst; denn sie
erhält Bindung in der Nation. Dadurch gewinnt aber die
Frage nach dem Sinn der Kunst innerhalb der Kultur des
Volkes neue Bedeutung. Kultur ist der schöpferische Lebens-
raum eines Volkes, Kunst die Gestalt gewordene Anschauung
der tiefsten geistigen und seelischen Zusammenhänge in dem
schöpferischen Können eines Künstlers. Dieses Können ist
einmal rein technischer Natur und bezieht sich auf das Hand-
werk des Künstlers. Zum anderen ist es geistig-prophetischer
Natur, dann ist es Kündung, Verkündung bestimmter natür-
licher oder auch übernatürlicher Zusammenhänge des mensch-
lichen Lebens mit allen seinen Problemen, im Lichte einer be-
stimmten Weltanschauung. Wir alle sind ein Tropfen in dem
Strom unseres Volkes und der Völker und unser in unserem
Volk beschlossenes Schicksal bestimmt unseren Weg. So steht
die Kunst gebunden. Wir bejahen dies aus vollem Herzen,
weil wir als Menschen unserer Zeit in dieser Bindung einen
Wert sehen. Austilgen wollen wir deshalb jene Auffassung,

als seien Kunstwerke ein Schmuck für die Reichen; austilgen
den Irrglauben, als sei etwas schon Kunst durch das Thema
der Darstellung. Wenn die Kündung fehlt, hilft alles Können
nichts. Zum Künstler gehören menschliche Werte. Der sich
auslebende Bohemien genügt nicht, auch nicht der ratio-
nalistische Zergrübler. Das unerhört reiche Leben unserer Zeit
müssen wir erleben und in uns Gestalt werden lassen.

Durch den Führer hat die in einem Chaos feindlicher Mächte
ringende Kunst einen Auftrag von geschichtlicher Größe er-
halten. Ein neues Werden muß nun beginnen. Dieses kommt
aber nicht durch Problemstellungen und Phrasen, sondern be-
ginnt ganz bescheiden und schlicht im Alltag. Sinnlos ist das
Werk ohne eine Bestimmung und diese ist tausendfach da.
Der nationalsozialistische Umsturz war ein Kampf des schöpfe-
rischen gegen den intellektuellen Menschen. Eine dem Schöpfe-
rischen verwandte Weltanschauung bedarf zu ihrer Darstellung
unbedingt der Kunst für den einzelnen, für ihre Bewegung.
Die ordnende Hand des Staates hat nur Auswüchse zu be-
seitigen, die Schöpfung, die Gestaltung liegt beim Künstler.
Der Staat hat ja bereits seinem Willen, dem Künstler zu helfen,
durch Gründung einer ständischen Kunstkammer Ausdruck ge-
geben. Diese bringt ihm die staatliche Anerkennung, überträgt
ihm aber auch die volle Verantwortung für seinen Stand und
dessen Leistung. Er wird in Zukunft nicht mehr der Mode leben,
sondern der Qualität seiner Arbeit. Wenn die Kunst wieder
kostbarstes seelisches Gut der Nation geworden ist, dann stellt
sich auch der Bedarf ein, mit diesem Gut wahrhaft zu
repräsensentieren, es in die Welt als Zeugnis deutschen
Wesens zu senden.

Die Kunst unserer Zeit braucht den das Geschehen er-
lebenden Künstler, den Künstler, dessen Schaffen aus einer
Weltanschauung stammt. Das erfordert aber das selbstlose
Opfer des Künstlers an diese Weltanschauung. Auch er kann
nicht mehr ausschließlich sich selber leben, seiner Intuition.
Es ist auch keine Intuition so wichtig, als daß man um ihret-
willen die Gemeinschaft des Volkes aufgeben könnte. Denn
sie gibt dem Künstler allein die Kraft, in seiner Zeit, in unserer
Zeit wirklich zu leben. In diesem Sinne entsteht auch bereits
eine Gemeinschaft unter den Künstlern. Sie ist Ausdruck der
Bindung an das Volk und Voraussetzung zur ständischen Ein-
ordnung. Aus dieser Bindung allein entspringt die Möglich-
keif einer Verkündung der Idee vom Volke. Der Staat als
Volksordnung gibt die Aufgabe, den Rahmen, in dem die
Kündung vor sich geht. So entsteht auch durch die Kündung
eine neue Symbolik, die niemals in äußerlichen Zeichen und
Darstellungen sich auswirkt, die allenfalls Allegorie sind.
Solche Kündung, die zum Symbol wird, bedarf aber des
Opfers durch den Künstler, d. h. die Selbstaufgabe zur
Schöpfung des Werkes. Das Werk um seiner selbst schaffen
zu müssen ist der Sinn allen Künstlertums, wie es dem National-
sozialismus entspricht, nicht wie einst, um des Ruhmes oder
gar des Geldes willen. Wenn solche Ideen das Schaffen des
Künstlers beherrschen, lebt wahrhaft die neue Zeit in ihm,
steht er wahrhaft in ihr, wird seine Kunst Ausdruck unserer
Zeit. Aus dem Chaos des Geschehens in aller Welt wird
langsam eine neue Welt geboren. Wir stehen im Ablauf, im
Brennpunkt der Ereignisse. Sorgen wir dafür, daß unsere
Flammen hell und rein brennen, daß sie die Schlacken aus-
glühen, damit die neue Zeit Gestalt gewinne, sichtbar für alle
Zeiten in den Werken der Kunst.

Winfried Wendland, Berlin

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