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Die Form: Zeitschrift für gestaltende Arbeit — 9.1934

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Wagenfeld, Wilhelm: Qualität und Wirtschaft: Vortrag von Wilhelm Wagenfeld, Weimar, gehalten vor der Mitgliedsversammlung des DWB, Landesbezirk Brandenburg-Pommern, am 4. Dezember 1933
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https://doi.org/10.11588/diglit.13712#0007

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Qualität und Wirtschaft \^%^

VORTRAG VON WILHELM WAGENFELD, WEIMAR, GEHALTEN VOR DERMITGLIEDERVERSAMM-
LUNG DES DWB, LANDESBEZIRK BRANDENBURG-POMMERN, AM 4. DEZEMBER 1933

„Kauft deutsche Waren!" „Stützt das Handwerk!" „Deutsche
Qualitätsarbeit!" „Kauft deutsche Wertarbeit!"

Das sind die Werberufe der Wirtschaft in unsern Tagen. Es
sind die Rufe an den unbekannten Käufer.

Ich stelle mich gegen jede dieser Devisen!: „Kauft deut-
sche Waren!" ruft man auch mir zu. Ein Appell an den
Patriotismus. Ich frage: „Warum fordert man den Käufer
nicht auf, nur immer das Beste zu wählen? Warum betont man
stati' dessen das Deutsche so sehr? Ist die deutsche Ware
schlechter, als irgendeine andere?"

Ja: fast überall, wo man unter solchen Devisen segelt, finde
ich schlechte Waren, denn die gute deutsche Ware spricht für
sich selbst. Nennen wir nur ihren realen Wert, nennen wir ihre
praktischen Vorzüge, sagen wir dem unbekannten Käufer, wo
die Ware gemacht ist und wie sie dort gemacht ist, sagen wir
es ihm nebenher in leichter Unterhaltung, aber hören wir auf
mir diesen lärmenden Devisen, die immer peinlich wirken und
ein großer Schaden sind, wenn schlechte Ware so ihren Käufer
sucht.

„Stützt das Handwerk!" ruft man uns zu. Warum
sollen wir das Handwerk stützen? Ist das Handwerk so greisen-
haft, so ohne eigene Kraft, daß es die Stütze des unbekann-
ten Käufers braucht?

Ja, meine Damen und Herren, dieser Appell an das Mitleid
isf eine verdammt schlechte Werbung! Mit solchen Worten
nimmt man die letzte Lust zum Kaufen, wenn ohnehin das Geld
knapp ist. Unvoreingenommen hat ieder, der solche Rufe hört
oder liest, sofort den Gedanken, daß hier ein Schwächling um
Hilfe ruft, und jeder Gesunde wird diesem Schwächling die
Hilfe versagen.

Nein, so kann das Handwerk nicht werben! Und auch nicht
so, daß es mit mittelalterlichem Krimskrams beladen durch die
Straßen zieht. Oder kommt dabei nicht der Gedanke auf: Als
noch die prächtigen Zünfte waren, steckten starke und macht-
bewußte Vorfahren der Handwerker in diesen Kleidern. Die
Kleider waren zeitgemäß. Heute dagegen führen die
schwachen Nachkommen einen Maskentanz darin auf, weil
sie selbst aus ihrer Zeit heraus nichts mehr schaffen können?

Hat das Handwerk denn wirklich keinen andern Ausweg
mehr? Ist das Handwerk tot? Nein, es ist nicht tot! Es kann
nicht tot sein, solange noch schaffende Hände sind. Immer hat
das Handwerk neben dem Maschinenwerk seinen Platz. Nur
dort ist sein. Ende, wo es den Wettbewerb mit der Maschine
erzwingt. Und dort ist sein Ende, wo es mit moralischem Zwang
den Käufer bedroht.

Silbernes Tablett mit
Elfenbeingriffen. Hand-
arbeit. Länge ca. 70 cm.
Entwurf: Wagenfeld,
Oberweimar, Thür.
 
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