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Die Form: Zeitschrift für gestaltende Arbeit — 9.1934

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Wendland, Winfried: Die Lage in der kirchlichen Kunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.13712#0058

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Die Lage in der kirchlichen Kunst

Die neue Reichskirche hat durch Einrichtung eines Kunst-
amtes der deutschen evangelischen Kirche einen entscheidenden
Vorstoß unternommen auf ein völliges Neuland, der in der
Künstlerschaft nicht ohne Antwort geblieben ist. Freudig haben
die Künstler dieses neue Kunstamt begrüßt, soll es ihnen doch
die Möglichkeit geben, sich in der Kirche künstlerisch zu be-
tätigen. Freilich ist es mit der Einrichtung eines solchen Amtes
nicht getan. Es kann ja nur ganz allmählich für die Belange
der Kunst in der Kirche werben. Viele Dinge müssen noch
hinzukommen, ehe wir tatsächlich zu einer wirklichen künstle-
rischen Betätigung in der Kirche kommen können. Niemals
wird eine Amtsstelle, auch wenn sie noch so sehr bemüht ist,
Aufträge zu verteilen und Aufträge zu überwachen, ein wirk-
liches Leben fördern können, wenn nicht der Wille in der
gesamten Kirche vorhanden ist, zu den Fragen der kirchlichen
Kunst grundsätzlich und positiv Stellung zu nehmen. Denn es
geht nicht mehr, daß wir die Frage der kirchlichen Kunst unter
dem materiellen Gesichtspunkt des reinen Schmuckes oder unter
dem individualistischen der Förderung von Künstlerpersönlich-
keiten ansehen. Beides entspringt letztlich einem liberalistischen
Weltbild, das im neuen Staat keinerlei Geltung mehr hat. Es
handelt sich also bei der Kirchenkunst und bei ihrem Einsatz
für die Kirche niemals in erster Linie um formale Prinzipien,
sondern einfach darum, daß das Wort Gottes in der Gestaltung
zum Ausdruck kommt, d. h., daß wir vom ästhetischen Bedürfnis
zu einem seelischen Bedürfnis kommen und daß das Wort
Gottes nicht mehr abstrakt als Wort, als Rede, als Schrift vor
uns tritt, sondern auch in dem Bild, im Bauwerk oder in der
Plastik. Jede lebendige Idee drängt den Menschen zur symbol-
haften Darstellung und nichts ist bezeichnender, als die innere
Leblosigkeit der Kirche in den letzten Jahren, als ihre Fremdheit
zur Kunst oder gar ihr rein materielles Schmuckbedürfnis. Auch
die reine Zweckbestimmung des Kirchenbaues endete im
Ästhetizismus: entweder in Verbrämung durch historische
Formen oder in der Nacktheit modernistischer Gestaltungen.
Weder das eine noch das andere kann der Weg einer innerlich
starken Kirche sein, sondern allein die Anschauung, daß das
Kunstwerk als Symbol der Schöpfung Gottes zu uns redet, daß
das Kunstwerk mit eingestellt wird in die Forderung: „. . . und
lehret alle Völker". Denn Lehre ist ja nicht nur Unterweisung
durch das Wort, sondern Lehre ist Erfüllung mit dem Geist und
im Geis!, ist niemals Verstand, sondern schöpferisch und zeu-
gend und überall da, wo der Mensch vom Geiste ergriffen ist,
schafft er das symbolische Werk, das Kunstwerk. Darum wird
also auch unsere Einstellung eine ganz neue sein, denn das,
was bisher Kunstwerk war, war eine ästhetische Angelegenheit
irgendwelcher reichen Leute, aber niemals symbolhafte Sprache,
die aus der Weltanschauung entspringt.

Um ihre Mission im Volke richtig zu erfüllen, bedarf die
Kirche einmal nach außen hin einer Repräsentation ihrer Diener.
In den letzten 200 Jahren hat unsere alte Überlieferung der
Repräsentation der Kirche unter dem Rationalismus fürchter-

lich gelitten. Stück für Stück schöner alter Gebräuche sind ge-
fallen zu Gunsten einer Verarmung auf allen Gebieten. Nicht
nur, daß wertvolle kirchliche Bauwerke nutzlos abgerissen
wurden, um häßlich gestalteten Neubauten Platz zu machen,
sondern auch volkstümliche Spiele, von althergebrachter Tra-
dition in den Gottesdiensten, sind gefallen, ohne für sie einen
wirksamen Ersatz zu schaffen. Äußerlich ist der Pfarrer als
Diener der Kirche völlig verbürgert; nichts unterscheidet ihn in
seiner Kleidung von dem gewöhnlichen Menschen. Die Kirche
kann sich nicht wundern, wenn ihre Diener sonst wenig ge-
achtet werden, wo sie ihren Dienern nicht äußerlich auch eine
gewisse Würde durch eine Tracht verleiht. Zum anderen hat
man im Gottesdienst alte Gewänder, weil sie „katholisch"
waren, verschwinden lassen, ohne dafür einen wirksamen Ersatz
in anderer Hinsicht bieten zu können. Dann hat man bei den
Neubauten immer mehr auf Kunstwerke verzichtet, bis die
Kirche selber öde und kahl wurde und nur noch mit ein paar
äußerlichen Formen verbrämt, sich kaum von den Bauten der
Technik unterschied. Bei manchen Kirchenbauten glaubte man,
durch Häufung des Kreuzeszeichens Symbolik in den Kirchen-
bau hereinzutragen, ohne zu wissen, daß die Symbole nicht
äußerlich angeklebt werden können, sondern daß ein Bauwerk
Symbol sein muß, um als solches wirken zu können.

Diese grundlegende falsche Haltung ist nicht nur dem Künstler
als Schuld zuzuschreiben, sondern in erster Linie der Kirche
selber, die ja mehr und mehr den Künstler verbannte, weil man
glaubte, Geld sparen zu können, wenn man dem Künstler
keine Aufgabe mehr gab. Dadurch ist tatsächlich in unserem
Kirchenleben eine starke Verödung eingetreten, der wir heute
entgegenwirken müssen. Denn das Wort Gottes offenbar!
sich nicht nur durch die Predigt oder das Abendmahl als
symbolische Handlung, sondern offenbart sich auch in der
Kunst der Kirche, wenn diese Kunst eine wirklich religiöse,
d. h. dem ursprünglichen Erlebnis entspringt. Jede fromme
Illustration ist deshalb noch lange keine Kirchenkunst, wenn
sie sich mit der Darstellung biblischer Geschichte abgibt. Es
muß das Evangelium am Kunstwerk symbolisch Gestalt ge-
winnen, d. h. das gesamte Kunstwerk muß erfüllt sein von
diesem Geiste. Ästhetische Prinzipien und Fragen der Indi-
vidualität eines Künstlers treten dabei in den Hintergrund; sie
sind nur ein Teil, ein Stück von dem Weg, und es war ein
Irrtum der vergangenen Zeit wie auch der letzten Kunstkämpfe,
daß man glaubte, daß formale Prinzipien die entscheidenden
seien. Der Liberalismus kämpfte um formale Prinzipien, heute
geht es einfach um den Wesensinhalt, und der läßt sich durch
Zeitschriften oder Zeitungen nicht dartun, sondern der muß
erlebi', erkämpft und gestaltet sein. Wenn darum, nach den
Wirren der letzten Zeit, in der Kirche dieses Prinzip einer neuen
Kirchenkunsi' in den Vordergrund treten soll, dann ist es eben
notwendig, daß man innerhalb der Kirche auch den Künstler
hört und daß man ihm die Aufgabe zuweist, einmal seine Kraft
einzusetzen für die Verkündigung durch die Gestaltung, zum

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