Masa
WILHELM LÖTZ
Beim Masaverfahren wird das Bild der Struktur eines Edel-
holzes mit Hilfe von Fotografie und einer Art Tiefdruck auf ein
geringwertigeres Holz oder auf Blech übertragen. Die Mase-
rung des Holzes ergibt sich aber nicht nur aus Farbunter-
schieden, sondern in erster Linie aus dem Spiel des Lichtes auf
verschieden in der Struktur gebildeter Oberfläche. Echte
Maserung ist daher farbig, ein Spiel des Lichtes auf dem
Material, der Masadruck geschieht in einer Farbe, in schwarz
oder braun. Oft geschieht es, daß bei dem Druck die echte
Maserung des geringwertigeren Holzes durch den Struktur-
aufdruck durchschimmert.
Furnierauflage, sei sie noch so dünn, bedeutet Auftragen
einer Substanz, genau wie Vergoldung oder Versilberung. Bei
einem Lack, etwa einem sehr guten Metallack, geschieht etwas
Ähnliches wie beim Emaillieren, es wird eine Schicht auf-
getragen.
Man stelle sich vor, daß heute irgend wer eine Struktur-
fofografie von sehr grob handgewebten Stoffen fertigte, die
er dann mit Hilfe des Drucks auf glatten Nessel übertragen
würde. Das Masaverfahren macht nichts anderes.
Gegen das Verfahren selbst ist durchaus nichts einzuwenden,
ebensowenig wie man gegen gedruckte Stoffe etwas ein-
wenden kann. Aber daß man sich die Struktur eines edleren
Materials als Muster aussucht, dieses „mehr scheinen als sein"
ist das, wogegen wir vom Werkbund Stellung nehmen. Da
die Herren von der Masa einen Ausspruch von mir zitiert
haben, den ich bei der Besichtigung getan habe, darf ich wohl
auch einiges von dem Gespräch hier aufgreifen. Ich fragte,
ob die Leitung der Masa einmal versucht hätte, einen Künstler
heranzuziehen, der Strukturmuster bildet, die geeignet für dieses
Verfahren sind. Man antwortete mir, wozu man das tun solle,
da es der liebe Gott viel besser gemacht habe. Ich muß das
zitieren, da hier wirklich eine Ansicht zutage tritt, der man
einiges entgegensetzen muß. Der liebe Gott hat auch die
künstlerische Gestaltungskraft den Menschen gegeben. Und eine
starke Industrie ist verpflichtet, auf den Gebieten, die natür-
licherweise der Gestaltung zuzuordnen sind, den gestaltenden
Menschen, hier den Künstler, einzuordnen in den Produktions-
prozeß. Aber man will ja offenbar gar nicht das vom Menschen
gestaltete Muster, weil man besser „scheinen als sein" will. Die
Herren haben mir, das muß hier gesagt werden, ausdrücklich
versichert, daß das Masaerzeugnis als solches geführt und
bezeichnet wird. Aber man rechnet mit der Sucht der Men-
schen, die mit ihrer Wohnung mehr vorstellen wollen als sie
wirklich sind.
Hier gelangen wir allerdings zu einem Punkt, wo es schwer
war, den Herren von der Masa die Antwort zu geben. Sie
zeigten mir gemasate Zimmereinrichtungen und nannten mir
die Preise. Sie erzählten, daß diese Möbel beispielsweise im
Ruhrgebiet bei den Bergleuten einen großen Absatz finden,
weil diese für billiges Geld reich aussehende Möbel erhalten.
Warum sollen wir diesen Leuten das vorenthalten, wonach ihnen
das Herz steht, so etwa wurde ich gefragt. Dieser Einwand
mußte von mir unbeantwortet bleiben. Hier wurde mir wieder
einmal ganz klar, welche Aufgaben unserer Zeit harren. Es
wird nicht nur notwendig sein müssen, daß der Arbeiter sein
Arbeitskleid mit Stolz trägt, und daß wir alle dieses Kleid
ehren und als nichts schlechteres ansehen als den Stehkragen,
sondern es wird auch notwendig sein, daß wir zu erreichbaren
Preisen die besten Möbel liefern, die es für den Arbeiter nur
geben kann. Diese Aufgabe ist ebenso wichtig, wie die im
letzten Heft so eindringlich von Lörcher erhobene Forderung
der Schaffung eines guten bäuerlichen Hausrats. Hier dürfen
wir nicht der Industrie den Vorwurf machen, ohne ihn zugleich
gegen uns selbst zu erheben. An uns liegt es, dem großen
Geschehen des ständischen Aufbaus das kulturelle Antlitz und
die Ausdrucksformen zu geben. Politisches, kulturelles und
künstlerisches Geschehen müssen hier Schritt halten. Hier hat
der Gestalter eine größere Aufgabe, als Masamuster zu
schaffen. Womit trotzdem die Forderung an die Masa erhalten
bleibt, es mit dem geeigneten Künstler zu versuchen. Vielleicht
ist vorerst ein Preisausschreiben der Anfang.
Bei verschiedenen Werkbundzusammenkünften in der letzten
Zeit ist das Thema der Kunst- und Ersatzstoffe lebhaft diskutiert
worden. In seinem Vortrag in der Landesgruppe Berlin ging
Dr. Heuß auch auf diese Frage ein. Mehrere Mitglieder haben
mir persönlich einige Gesichtspunkte mitgeteilt. Fritz Hellwag
sagte mir zum Beispiel, daß er meiner Ansicht nicht beipflichten
könne, wenn ich geschrieben hätte, daß es uns heute mehr
auf die Oberfläche ankomme und daß es uns gleich sei, wo'
darunter liege, er sagte mit Recht, daß das schönste Furnier
nichts nützt, wenn das Holz, aus dem das Möbel eigentlich
gemacht ist, zu schlecht für seinen Zweck sei. Das wollte ich
natürlich auch nicht sagen, denn es ist klar, daß das Material
des Kerns seinem Zweck voll und gut entsprechen muß. Eine
vernunftgemäße Beziehung zwischen Kernmaterial und Ober-
flächenmaterie muß natürlich vorhanden sein. So „oberfläch-
lich" wollte ich nicht sein und scheinen.
Ein anderer Vorwurf, den man oft hört, wenn man die Kunst-
stoffe verurteilt, wovon ich natürlich weit entfernt bin, ist der,
daß im Barock mit Materialtäuschungen oft die stärksten künst-
lerischen Wirkungen erzielt worden sind. Das ist richtig und
allgemein bekannt. Dazu ist aber festzustellen, daß diese
Materialtäuschungen in Schlössern und Kirchen zu finden sind,
im Bürgerhaus und im Hausrat aber kaum. Man hat auch nur
angestrebt, in einem rein malerischen Gesamtbild die Material-
farbigkeit mit einzubeziehen, in erster Linie durch Vergeudung
von sehr farbigem Material und dann auch von farbigen Nach-
ahmungen von Materialien. Man täuschte, gewiß, aber um der
farbigen Bewegtheit willen, nicht etwa um Oberflächen- oder
Strukturcharakter zu erzeugen. Man kann ja auch darauf hin-
weisen, daß die Griechen ihre schönen Marmortempel bunt
bemalt haben, also einen für unser Gefühl höchst edlen
Materialcharakter hinter der Farbe versteckt haben.
Aber wir haben ein bestimmtes naturnahes Verhältnis zum
Material, wir leben nicht im Barock. Wir lieben das Material,
nicht nur seiner Farbe willen, sondern seines Charakters wegen.
Wir lieben die Naturmaterialien, aber wir schätzen auch die
Stoffe, die uns der menschliche Erfindergeist geschaffen hat
zu bestimmter Verwendung.
Dr. Gretsch, der ausgezeichnete Kenner handwerklicher Ver-
arbeitungsweisen, hat neulich sehr richtig gesagt, man muß den
Wert der neuen Materialien erkennen, aber wichtig ist erst,
was man daraus macht. Das aus dem Stoff geschaffene ist der
Wert, nicht Natur- oder Kunstmaterial. Ich glaube, daß man
das nicht als eine Vernachlässigung des Wertes des Materials
ansehen kann. Etwas handfester hat das einmal ein Architekt
unserer Tage ausgedrückt. Er hörte, daß ein Kollege — die
Geschichte liegt glaube ich zwanzig Jahre zurück — von den
herrlichen gestaltheischenden modernen Materialien unserer
Zeit, von Beton und Glas, schwärmte. Quatsch, sagte er, gebt
mir einen Haufen Dreck und ich mach euch was draus, daß
ihr euch alle hinsetzt. Wer ihn kennt, weiß, daß er es noch
deutlicher ausgedrückt hat.
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WILHELM LÖTZ
Beim Masaverfahren wird das Bild der Struktur eines Edel-
holzes mit Hilfe von Fotografie und einer Art Tiefdruck auf ein
geringwertigeres Holz oder auf Blech übertragen. Die Mase-
rung des Holzes ergibt sich aber nicht nur aus Farbunter-
schieden, sondern in erster Linie aus dem Spiel des Lichtes auf
verschieden in der Struktur gebildeter Oberfläche. Echte
Maserung ist daher farbig, ein Spiel des Lichtes auf dem
Material, der Masadruck geschieht in einer Farbe, in schwarz
oder braun. Oft geschieht es, daß bei dem Druck die echte
Maserung des geringwertigeren Holzes durch den Struktur-
aufdruck durchschimmert.
Furnierauflage, sei sie noch so dünn, bedeutet Auftragen
einer Substanz, genau wie Vergoldung oder Versilberung. Bei
einem Lack, etwa einem sehr guten Metallack, geschieht etwas
Ähnliches wie beim Emaillieren, es wird eine Schicht auf-
getragen.
Man stelle sich vor, daß heute irgend wer eine Struktur-
fofografie von sehr grob handgewebten Stoffen fertigte, die
er dann mit Hilfe des Drucks auf glatten Nessel übertragen
würde. Das Masaverfahren macht nichts anderes.
Gegen das Verfahren selbst ist durchaus nichts einzuwenden,
ebensowenig wie man gegen gedruckte Stoffe etwas ein-
wenden kann. Aber daß man sich die Struktur eines edleren
Materials als Muster aussucht, dieses „mehr scheinen als sein"
ist das, wogegen wir vom Werkbund Stellung nehmen. Da
die Herren von der Masa einen Ausspruch von mir zitiert
haben, den ich bei der Besichtigung getan habe, darf ich wohl
auch einiges von dem Gespräch hier aufgreifen. Ich fragte,
ob die Leitung der Masa einmal versucht hätte, einen Künstler
heranzuziehen, der Strukturmuster bildet, die geeignet für dieses
Verfahren sind. Man antwortete mir, wozu man das tun solle,
da es der liebe Gott viel besser gemacht habe. Ich muß das
zitieren, da hier wirklich eine Ansicht zutage tritt, der man
einiges entgegensetzen muß. Der liebe Gott hat auch die
künstlerische Gestaltungskraft den Menschen gegeben. Und eine
starke Industrie ist verpflichtet, auf den Gebieten, die natür-
licherweise der Gestaltung zuzuordnen sind, den gestaltenden
Menschen, hier den Künstler, einzuordnen in den Produktions-
prozeß. Aber man will ja offenbar gar nicht das vom Menschen
gestaltete Muster, weil man besser „scheinen als sein" will. Die
Herren haben mir, das muß hier gesagt werden, ausdrücklich
versichert, daß das Masaerzeugnis als solches geführt und
bezeichnet wird. Aber man rechnet mit der Sucht der Men-
schen, die mit ihrer Wohnung mehr vorstellen wollen als sie
wirklich sind.
Hier gelangen wir allerdings zu einem Punkt, wo es schwer
war, den Herren von der Masa die Antwort zu geben. Sie
zeigten mir gemasate Zimmereinrichtungen und nannten mir
die Preise. Sie erzählten, daß diese Möbel beispielsweise im
Ruhrgebiet bei den Bergleuten einen großen Absatz finden,
weil diese für billiges Geld reich aussehende Möbel erhalten.
Warum sollen wir diesen Leuten das vorenthalten, wonach ihnen
das Herz steht, so etwa wurde ich gefragt. Dieser Einwand
mußte von mir unbeantwortet bleiben. Hier wurde mir wieder
einmal ganz klar, welche Aufgaben unserer Zeit harren. Es
wird nicht nur notwendig sein müssen, daß der Arbeiter sein
Arbeitskleid mit Stolz trägt, und daß wir alle dieses Kleid
ehren und als nichts schlechteres ansehen als den Stehkragen,
sondern es wird auch notwendig sein, daß wir zu erreichbaren
Preisen die besten Möbel liefern, die es für den Arbeiter nur
geben kann. Diese Aufgabe ist ebenso wichtig, wie die im
letzten Heft so eindringlich von Lörcher erhobene Forderung
der Schaffung eines guten bäuerlichen Hausrats. Hier dürfen
wir nicht der Industrie den Vorwurf machen, ohne ihn zugleich
gegen uns selbst zu erheben. An uns liegt es, dem großen
Geschehen des ständischen Aufbaus das kulturelle Antlitz und
die Ausdrucksformen zu geben. Politisches, kulturelles und
künstlerisches Geschehen müssen hier Schritt halten. Hier hat
der Gestalter eine größere Aufgabe, als Masamuster zu
schaffen. Womit trotzdem die Forderung an die Masa erhalten
bleibt, es mit dem geeigneten Künstler zu versuchen. Vielleicht
ist vorerst ein Preisausschreiben der Anfang.
Bei verschiedenen Werkbundzusammenkünften in der letzten
Zeit ist das Thema der Kunst- und Ersatzstoffe lebhaft diskutiert
worden. In seinem Vortrag in der Landesgruppe Berlin ging
Dr. Heuß auch auf diese Frage ein. Mehrere Mitglieder haben
mir persönlich einige Gesichtspunkte mitgeteilt. Fritz Hellwag
sagte mir zum Beispiel, daß er meiner Ansicht nicht beipflichten
könne, wenn ich geschrieben hätte, daß es uns heute mehr
auf die Oberfläche ankomme und daß es uns gleich sei, wo'
darunter liege, er sagte mit Recht, daß das schönste Furnier
nichts nützt, wenn das Holz, aus dem das Möbel eigentlich
gemacht ist, zu schlecht für seinen Zweck sei. Das wollte ich
natürlich auch nicht sagen, denn es ist klar, daß das Material
des Kerns seinem Zweck voll und gut entsprechen muß. Eine
vernunftgemäße Beziehung zwischen Kernmaterial und Ober-
flächenmaterie muß natürlich vorhanden sein. So „oberfläch-
lich" wollte ich nicht sein und scheinen.
Ein anderer Vorwurf, den man oft hört, wenn man die Kunst-
stoffe verurteilt, wovon ich natürlich weit entfernt bin, ist der,
daß im Barock mit Materialtäuschungen oft die stärksten künst-
lerischen Wirkungen erzielt worden sind. Das ist richtig und
allgemein bekannt. Dazu ist aber festzustellen, daß diese
Materialtäuschungen in Schlössern und Kirchen zu finden sind,
im Bürgerhaus und im Hausrat aber kaum. Man hat auch nur
angestrebt, in einem rein malerischen Gesamtbild die Material-
farbigkeit mit einzubeziehen, in erster Linie durch Vergeudung
von sehr farbigem Material und dann auch von farbigen Nach-
ahmungen von Materialien. Man täuschte, gewiß, aber um der
farbigen Bewegtheit willen, nicht etwa um Oberflächen- oder
Strukturcharakter zu erzeugen. Man kann ja auch darauf hin-
weisen, daß die Griechen ihre schönen Marmortempel bunt
bemalt haben, also einen für unser Gefühl höchst edlen
Materialcharakter hinter der Farbe versteckt haben.
Aber wir haben ein bestimmtes naturnahes Verhältnis zum
Material, wir leben nicht im Barock. Wir lieben das Material,
nicht nur seiner Farbe willen, sondern seines Charakters wegen.
Wir lieben die Naturmaterialien, aber wir schätzen auch die
Stoffe, die uns der menschliche Erfindergeist geschaffen hat
zu bestimmter Verwendung.
Dr. Gretsch, der ausgezeichnete Kenner handwerklicher Ver-
arbeitungsweisen, hat neulich sehr richtig gesagt, man muß den
Wert der neuen Materialien erkennen, aber wichtig ist erst,
was man daraus macht. Das aus dem Stoff geschaffene ist der
Wert, nicht Natur- oder Kunstmaterial. Ich glaube, daß man
das nicht als eine Vernachlässigung des Wertes des Materials
ansehen kann. Etwas handfester hat das einmal ein Architekt
unserer Tage ausgedrückt. Er hörte, daß ein Kollege — die
Geschichte liegt glaube ich zwanzig Jahre zurück — von den
herrlichen gestaltheischenden modernen Materialien unserer
Zeit, von Beton und Glas, schwärmte. Quatsch, sagte er, gebt
mir einen Haufen Dreck und ich mach euch was draus, daß
ihr euch alle hinsetzt. Wer ihn kennt, weiß, daß er es noch
deutlicher ausgedrückt hat.
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