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Die Form: Zeitschrift für gestaltende Arbeit — 9.1934

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Wendland, W.: Anweisungen zum richtigen Wohnen
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https://doi.org/10.11588/diglit.13712#0033

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spiele recht schlagkräftig ausgesucht worden sind. Man sieht
an diesem Bilderwerk recht deutlich, welch ein unendliches
Chaos an Formen und Gestalten die moderne Zeit, die soviel
fortschrittlicher sein wollte als die Zeit Wilhelms II., hervor-
gebracht hat. Es ist derselbe Wilhelminismus, nur losgelöst von
der Historie, der mehr vortäuschen will als tatsächlich da ist,
und der aus dem einfachen und schlichten, nüchternen Volk der
Preußen jenes protzenhafte „Barbarentum" gemacht hat, was
heute den kleinen Mann noch mit höchster Wonne erfüllt. Hier
kann es gar nicht genug Aufklärung und Kampf geben, denn
jenes protzenhafte Barbarentum, das jeder denkende Mensch
heftigst bekämpfen muß, ist ja bei uns noch immmer sehr ver-
breitet und feierte jetzt in dem Gott sei Dank verbotenen
nationalen Kitsch wahre Orgien. Demgegenüber ist aber zu
bemerken, daß es dieses protzenhafte Barbarentum in anderen
Ländern noch weif mehr gibt, das ist aber kein Grund für uns,
es nicht heftig zu bekämpfen. So bedeutet das Burchard'sche
Buch eine selbständige Arbeit und gute Materialsammlung,
die wohl geeignet ist, auch als Anschauungsmaterial auf
Frauenschulen, in Kursen des Arbeitsdienstes usw. verwendet
zu werden.

Demgegenüber stellt das Buch von Werner Gräff „Jetzt wird
Ihre Wohnung eingerichtet" (Müller & I. Kiepenheuer G.m.b.H.
Verlag, Potsdam! mehr ein Warenbuch dar mit Preisen, das
sich eng an die s. Zt. von Wilhelm Lötz eingeschlagene Weg-
richtung hält, nur mit dem Unterschied, daß das Buch von
Gräff vielleicht neuere Preise enthält, aber in seiner Bild-
gestaltung nicht entfernt so gut ausgewählt ist wie das von
Lötz. Schon daß Lötz sehr viel die Raumwirkung der Möbel
mit in seinen Bildern bringt, ist sehr wesentlich. Bei Gräff sind
die Bilder rein katalogartig hingestellt. Das zeigt das Literarische
seiner Arbeit, ohne eine tiefere Beziehung des einzelnen
Möbels zum Raum. Es ist also ein rein formales Buch. Seine
Notwendigkeit ist nicht ganz zu verstehen, wenn es nicht wie
das Burchardsche Buch tatsächlich andere Wege gehen will!
Auch die ähnliche Ausgestaltung des Titels erscheint uns
nicht richtig. Es hätte sich wahrlich ein anderer Titel finden
lassen, der an Zugkräftigkeit dem Lotz'schen Titel „Wie richte
ich meine Wohnung ein?" nicht nachgestanden hätte. So
bleib;- bei allem die Lotz'sche Arbeit doch die beste und
gründlichste.

Felix Kayser. Architektonisches Gestalten. Verlag Fr. Wede-
kind, Stuttgart. Das Buch von Felix Kayser „Architektonisches
Gestalten" hätte noch einen Untertitel haben müssen. Un-
gefähr so: Architektonisches Gestalten nach Rudolf Steiner
oder: Im Geiste der Anthroposophie. Es handelt sich nämlich
bei dem, was uns hier gezeigt wird, um architektonisches
Gestalten aus dem Geiste der Anthroposophie heraus. Diese
Weltanschauung ist heute im deutschen Volke eine mehr oder
weniger großen Sekte, und wenn diese Gemeinschaft aus ihrer
Weltanschauung sich selbst neue Hausformen entwickelt und
neue Kunstformen zu gestalten versucht, so können wir eben
nur feststellen, daß es für das Volksganze niemals ein wirklich
fruchtbarer Weg sein kann; denn das, was hierbei herauskommt,
ist letzlich doch eine den Aufgaben des Volkes fremde und
aus dem Intellekt geborene architektonische Spielerei. Das
beste erscheint uns immer noch ein Landhaus von Felix Kayser
in Holz. Die anderen Häuser mit ihren unendlich komplizierten
und verschrobenen Dächern, wie die Möbel mit ihren gewalt-
sam abgeschnittenen Eckformen sind letztlich ein ungangbarer
Weg, weil sie nicht klar und natürlich sind, sondern man ihnen
überall das gekünstelte anmerkt, obwohl man gerade in der
Einleitung darauf glaubt hinweisen zu müssen, daß diese Dinge
nicht dem Intellekt, sondern dem Gefühl entsprungen seien. Wir

können auch nicht den Begriff des organischen Gestaltens in
diesen Dingen herauslesen. Wir stehen durchaus auf dem
Standpunkt, daß Weltanschauung schließlich auch den künst-
lerischen Ausdruck beeinflussen muß oder besser, daß der
künstlerische Ausdruck aus der Weltanschauung entspringt.
Aber das, was hier entsteht, erscheint zu künstlich, als daß wir
es als wirklich gangbaren Weg ansehen können.

v. Rendschmidt. Das alte Elbinger Bürgerhaus. Verlag
Elbinger Altertumsgesellschaft, Elbing. Es gibt wenig kunst-
historische und bauhistorische Abhandlungen, die für uns von
so viel Interesse sind, wie die vorliegende Arbeit von Ober-
baurat Dr. von Rendschmidt, Berlin, über das alte Elbinger
Bürgerhaus. Denn was uns heute interessiert, sind ja weniger
die formalen Zusammenhänge einer Stilkritik, sondern die Frage
der Lebensgewohnheiten, der kulturgeschichtlichen Notwendig-
keiten, aus denen sich Grundrisse und Aufrisse, aus denen sich
Stadtplanung, Bebauungspläne und Baublöcke in einem
Kolonisationslande des Mittelalters entwickelt haben. Bekannt-
lich sind ja die mittelalterlichen Städte des deutschen Ostens
zum großen Teil Meisterwerke der Städtebaukunst. So ist dies
auch hier in Elbing, einer im Mittelalter bedeutenden Stadt des
östlichen Kolonisationslandes, einem Waren-Umschlagsplatz
von ziemlicher Bedeutung. Wir erkennen ganz klar, wie sich
aus den Lebensnotwendigkeiten der Zeit ein Typ eines Bürger-
hauses entwickelt, das wir in ähnlicher Form im ganzen deut-
schen Osten, von Lübeck angefangen, bis Riga finden, und das
eine so glückliche Vereinigung von Wohnung, Lagerraum und
Repräsentation bildet, wie wir es bei heutigen städtischen
Häusern weder in der Kleinstadt noch in der Großstadt finden.
In diesen Häusern lebt nicht nur die Kultur der Zeit, sondern
eine große Fr'eude am Wohnen, am Leben überhaupt. Sie
tragen alle den Stempel kräftiger Gestaltung und trotz ihrer
Typisierung ist jedes Haus eine Individualität. Diese Häuser
sind Zeitdenkmäler der deutschen Geschichte, sind Zeugen der
großen Kolonisation des deutschen Volkes im Osten. Wichtig
ist, daß Rendschmidt seiner Arbeit eine große Fülle von Auf-
rissen und Grundrissen beilegt, aus denen nicht nur die Höhen-
und Größenverhältnisse, sondern auch die Bebauung aus
früherer und späterer Zeit zu ersehen sind. Auch Dach-
konstruktionen, alles, was der Architekt zum Studium braucht,
ist enthalten. Wichtig erscheint auch die Entwicklung des nie-
derdeutschen und oberdeutschen Giebelhauses gegeneinander-
gestell;-, in denen sich immer wieder die Frage der großen Diele
als Hauptwohnraum befindet, die ja auch heute wieder so stark
besprochen wird. Bei all diesen interessanten Grundrissen fällt
immer wieder die Großzügigkeit auf, mit der die Menschen der
damaligen Zeit ihre Häuser gebaut haben, die Großzügigkeit
in der Raumfolge und der Rhythmus, den diese Räume zu ein-
ander haben, in dem sich eine ganz bestimmte Lebensfreude
ausdrückt. Dagegen erscheint die Frage unserer heutigen
Stadtwohnung mehr als problematisch, und wir können wohl
sagen, daß eine wirkliche Wohnungsreform überhaupt erst auf
Grund eines gesunden Bodenrechts werden kann, wie es einst
die alten Städte gehabt haben. Daher ist gerade diese Arbeit
nicht unter dem kunstgeschichtlichen Gesichtspunkt zu be-
trachten, sondern viel eher unter dem des Studiums der Woh-
nung unserer Vorfahren, vor allen Dingen aus jenem dunklen
Mittelalter, das uns hierbei gar nicht so dunkel erscheint. Die
Stadtanlage der ostdeutschen Kolonisationszeit wäre gleichfalls
ein Kapitel, welches in diesem Zusammenhang eigentlich gründ-
lich studiert werden müßte, weil auch hier sich Möglichkeiten
ergeben und Erfahrungen zeigen, die wir heute wieder be-
nutzen müssen, wenn wir den Lebensraum unseres Volkes neu
zu ordnen beginnen. W. W e n d I a n d.

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