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Die Form: Zeitschrift für gestaltende Arbeit — 9.1934

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Dexel, Walter: Die Rundkirchen der Insel Bornholm
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https://doi.org/10.11588/diglit.13712#0060

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Zentralbauten, wie die vier Bornholmer Rundkirchen, mehr-
geschossig, mit Mittelpfeiler und Ringtonnengewölben, sind in
der Kirchenbaukunst des frühen Mittelalters ohne Vorbild. Die
Forschung hat sich mehrfach mit dem Problem der Ableitung
dieser architektonischen Besonderheit befaßt, ohne daß es ge-
lungen wäre, Zusammenhänge mit anderen Ländern aufzudecken,
die überzeugend sind. Ich muß nach ausführlicher Durchsuchung
der mittelalterlichen Kirchenbauformen auch sagen, daß ich
einen zwingenden Zusammenhang mit Zentralbauanlagen
Deutschlands, Italiens oder Frankreichs nicht finden konnte. Die
in der Kunstwissenschaft so durchaus bewährte Methode der
Suche von Beziehungszusammenhängen versagt hier fast durch-
aus, und es ergibt sich nach dem Umweg über eine kompli-
zierte historische Durchforschung nach möglichen Verbindungen
die Notwendigkeit, die Einzigartigkeit dieser Bauten aus boden-
ständiger Entwicklung und örtlichen Gegebenheiten allein zu
erklären.

Die Christianisierung Bornholms begann sehr spät — etwa
im Jahre 1060. Die Rundkirchen entstanden etwa hundert Jahre
später. Rings um die Insel, wenige Kilometer ins Innere verlegt,
entstand ein Gürtel von 15 Kirchen, die fast alle befestigt
gewesen sind. Die vortrefflich erhaltenen Rundkirchen waren
ausgesprochene Wehrkirchen, die den doppelten Zweck ge-
habt haben dürften, die Geistlichkeit gegen die sicher nicht
ganz leicht zu behandelnde Bevölkerung zu schützen und

gleichzeitig den Schutz eben dieser Bevölkerung gegen feind-
liche Angriffe von der See her zu übernehmen.

Da eine solche Insel in damaliger Zeit immer befestigt ge-
wesen sein muß (Ringwälle aus älteren Zeiten lassen sich
stellenweise noch nachweisen), übernahmen diese Kirchen die
Funktion schützender Burgen. Mir scheint die Annahme nahe-
zuliegen, daß ringförmig befestigte Verteidigungsplätze an
vielen dieser Stellen schon früher vorhanden waren. Haben
doch schon in frühester Vergangenheit die kreisförmigen, von
hohen, aufrecht stehenden Steinen umschlossenen Opferstätten,
wie etwa das bekannte Stonehenge, oder auch die alten Wall-
burgen, wie Ismantorp auf öland, nachweislich schon gleich-
zeitig kultischen und kriegerischen Zwecken gedient. Was
liegt nun näher, als daß die Kirche, die ja immer im Geistigen
wie im Praktischen in den Ländern, deren sie sich bemächtigte,
das Bodenständige zu bewahren und ihren Zwecken dienstbar
zu machen wußte, auch hier die alten Stätten des Kultes und
der Verteidigung weiterhin im doppelten Sinne verwendete
und erhielt, und sich in der Rundanlage ihrer Bauten den
heimischen Gepflogenheiten fügte. Ganz abgesehen davon,
daß eine so unzugängliche und wenig zivilisierte Insel wie
Bornholm germanische Traditionen stärker und länger be-
wahrte als etwa Deutschland, das fremden Einflüssen aller Art
immer wieder ausgesetzt war — müssen wir natürlich eine
ganze Reihe unbekannter baulicher Zwischenglieder zwischen
genannten vorzeitlichen Denkmälern und den unmittelbaren
Vorgängern der Rundkirchen in historischen Zeiten annehmen.
Vielleicht haben diese Zwischenglieder in den normannisch

2 Olskirche von Südwesten

3 Schnitt (aus Frölm)

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